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Gunsten des inländischen Tabakbaus wesentlich änderte. In ihrer Gesamtheit
sicherten die Beschlüsse des Reichstags eine Mehrheit, die für das finanzielle
Programm der Regierung genügte. Denn war die namhafte allgemeine Erhöhung
aller Positionen des Zolltarifs auch aus dem Verlangen nach wirksamem Schutze
der nationalen Produktion hervorgegangen, so mußte der Effekt doch auch
finanziell ein bedeutender sein und voraussichtlich ersetzen, was durch die Aen—
derung der Tabaksteuervorlage an erwarteten Einnahmen abging. Indes wollten
alle Parteien des Reichstags eine so bedeutende Steigerung der Reichseinnahmen
nicht zugestehen ohne einen Ersatz für das bisher thatsächlich geübte Einnahme-
bewilligungsrecht. Es ist bekannt, wie sich hierbei der Antrag der Majorität
(Zentrum und Konservative) — die sogenannte clausula Franckenstein — und
der nationalliberale Antrag, der die Erhebung der Zölle auf gewisse Gebrauchs-
artikel von periodischer Genehmigung des Reichstags abhängig machen wollte,
gegenüberstanden.
Hobrecht war, sobald er den Inhalt der sogenannten clausula Franckenstein
kennen lernte, ein erklärter Gegner dieses Finanzarrangements, von dem er
glaubte, daß es der Reichspolitik ebensowenig förderlich sein werde als den
Finanzen der Einzelstaaten. Er machte von dieser Ansicht, die manche
seiner Freunde im nationalliberalen Lager teilten, auch Bismarck gegenüber kein
Hehl und schied von diesem mit der Ueberzeugung, daß der Kanzler sich in
dieser Sache nicht engagiren werde, bevor er weiter mit ihm gesprochen. Als
in der Kommission des Reichstags die clausula Franckenstein zur Verhandlung
kam, waren vom Bundesrat die Staatsminister Hofmann und Hobrecht anwesend.
Auf eine Anfrage, wie sich die verbündeten Regierungen zu dem Antrage
Franckensteins verhalten würden, gab Hobrecht eine kurze Erklärung des Inhalts
ab, der Bundesrat habe sich damit noch nicht beschäftigt. Zu Hobrechts Ueber-
raschung erhob sich der Abgeordnete Eugen Richter zu nachfolgender Ausführung:
Es habe nach der eben gehörten Erklärung des Herrn Finanzministers den
Anschein, daß er allein von dem Arrangement nichts wisse, welches der Reichs-
kanzler in betreff der clausula Franckenstein bereits mit den Konservativen und
dem Zentrum geschlossen habe. Der Minister Hobrecht winkte den Abgeordneten
v. Puttkamer (damals Regierungspräsident in Gumbinnen, den späteren Kultus-
minister) heran und erfuhr von diesem die Richtigkeit der Richterschen Aeußerung.
Unmittelbar darauf verließ der Minister Hobrecht die Kommissionssitzung des
Reichstags, eilte ins Reichskanzlerpalais und ließ sich bei dem Fürsten Bismarck
anmelden: „Durchlaucht, ich will mich nur vergewissern, haben Sie sich wegen
der Klausel Franckenstein bereits mit den Parteien geeinigt?“" Bismarck ant-
antwortete, das müsse doch auch er, Hobrecht, einsehen, daß mit dem Bennigsenschen
Vorschlage nichts gemacht werden könne. Der Antrag Franckenstein sei nicht so
schlimm, wobei er denselben so interpretirte, daß für das Reich alles Bedenk-
liche wegfiel. Das aber war es nicht, worauf es Hobrecht in dem jetzigen
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. III. 25