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Eben so wenig giebt für die Competenz der Justizbehörde der Betrag der durch gqualisi=
cirte Bettelei etwa erlangten Summe einen Maaßstab ab.
2.) Ist dagegen mit dem Betteln ein für sich bestehendes Verbrechen verbunden, welches
im Criminalgesetzbuche mit besondern Strafen bedroht ist, z. B. Fälschung, Körperverletzung,
Störung des Hausfriedens 2c., so tritt die Competenz der Justizbehörde ein. Bei Drohun-
gen, welche sich der Bettler hat zu Schulden kommen lassen, entscheidet die Gefährlichkeit
derselben, mithin die Größe der deshalb verwirkten Strafe, sie fallen daher der Justizbe=
hörde dann anheim, wenn sie, abgesehen vom Betteln, mit einer höhern als zweimonat-
lichen Gefängnißstrafe zu ahnden sind.
3.) Die Bestrafung des concurrirenden Criminalverbrechens schließt die Bestrafung des
Bettelns, sowie diese jene nicht aus, vielmehr hat jede Behörde, die Polizei= und Criminal-=
behörde, die ihrer Competenz anheim fallenden Vergehen zu untersuchen und zu bestrafen.
4.) Durch diese Vorschriften wird an der Bestimmung im § 14 des Competenzgesetzes
vom 2Ssten Januar 1835 (Seite 5 8) im Wesentlichen etwas nicht geändert. Es kann
daher
a) die Polizeibehörde die Untersuchung und Bestrafung des Bettelns, wenn zugleich ein
Criminalverbrechen gegen denselben Angeschuldigten vorliegt, der Criminalbehörde überlassen,
nicht minder kann
b) die Justizbehörde die Untersuchung und Bestrafung des concurrirenden Criminalver=
brechers dann mit zur Entscheidung der Polizeibehörde stellen, wenn die Strafe beider Ver-
gehen zusammengenommen das Maaß von zwei Monaten Gefängniß nicht übersteigt.
5.) Da das Vergehen der gqualificirten Bettelei, wenn der Strafzweck erreicht werden
soll, ganz besonders eine schleunige Ahndung erfordert, so werden sämmtliche Justiz= und
Verwaltungsbehörden hierdurch noch besonders angewiesen, jeden unnöthigen Aufenthalt hier-
bei thunlichst zu vermeiden. Auch haben, damit beide Behörden möglichst um Einverständnisse
handeln, die Verwaltungsbehörden, wenn die qualificirte Bettelei zunächst zu ihrer Kenntniß ge-
langt, bevor sie wegen des zu ihrem Ressort gehörigen Polizeivergehens Beschluß fassen, oder
doch vor Entlassung des Angeschuldigten mit der competenten Justizbehörde sich zu vernehmen
und dieser die Beschlußnahme wegen des concurrirenden Criminalvergehens anheim zu stellen.
Nicht minder liegt den Justizbehörden ob, in Fällen der gedachten Art (Nr. 2 und 3),
wenn diese zuerst zu ihrer Cognition gebracht worden sind, wegen des concurrirenden Po-
lizeivergehens mit der Verwaltungsbehörde zu gleichem Zwecke sich zu vernehmen.
Dresden, am 6ten November 1845.
Die Ministerien der Justiz und des Innern.
von Koenneritz. von Falkenstein.
Hausmann.