1845.
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Das Gesetz, einige Abänderungen im Verfahren in Untersuchungssachen be-
treffend, vom 30sten März 1838 (Gesetz= und Verordnungsblatt vom Jahre
1838, Seite 197 fg.) bestimmt ausdrücklich, daß nur wegen solcher Verbre-
chen, welche unter den vorliegenden Umständen Todes-, Zuchthaus-, Arbeits-
haus= oder eine die Dauer von Drei Monaten übersteigende Gefängnißstrafe nach
sich ziehen können, das Bezirksappellationsgericht das erste Urtel abzufassen
habe, und hiermit übereinstimmend werden im § VII desselben Gesetzes als solche
Untersuchungssachen, in welchen es nicht nothwendig einer schriftlichen Vertheidi-
gung bedürfe, diejenigen bezeichnet, welche gegen den Angeschuldigten nur eine
Geldstrafe oder eine die Dauer von Drei Monaten nicht übersteigende Gefäng-
nißstrafe nach sich ziehen können, ohne daß dabei hinsichtlich der Höhe der bevor-
stehenden Geldstrafe ein Unterschied gemacht würde. Schon diese mit einander in
dem engsten Zusammenhange stehenden gesetzlichen Bestimmungen lassen über die
Bejahung der obgedachten Frage einen erheblichen Zweifel nicht auffommen. Denn
ein Vergehen, welches im Criminalgesetzbuche nur mit Geldstrafe bedroht ist, kann
auch nur Geldstrafe nach sich ziehen. Das Erkenntniß wegen eines solchen Ver-
gehens kann niemals auf die im Criminalgesetzbuche nicht angedrohte Gefängniß=
strafe gerichtet werden, vielmehr hat nach Art. 21 nur der Richter, d. i. der Un-
tersuchungsrichter unter den in dem allegirten Artikel ausgedrückten factischen Vor-
aussetzungen die erkannte Geldstrafe in Gefängniß zu verwandeln, und diese an
die Stelle der Geldstrafe tretende gefängliche Haft trägt daher nicht sowohl den
Character einer selbstständigen Strafe, als vielmehr den eines Mittels zur Voll-
streckung der den Umständen nach nicht einzubringenden Geldstrafe an sich, wie sich
insbesondere daraus deutlich ergiebt, daß, wenn während der Dauer dieser gefäng-
lichen Haft der Bestrafte zu besserem Vermögen gelangt, oder das Hinderniß,
welches der Vollstreckung der Geldstrafe als solcher entgegenstand, sonst wegfällt,
mit der ferneren Vollstreckung der Gefängnißhaft anzustehen, und der noch unver-
büßte Rest der Geldstrafe durch Erecution in das Vermögen des Inculpaten ein-
zubringen sein wird.
Es hat aber auch ferner die obgedachte Bestimmung des Gesetzes vom 3sten
März 1838, § VIII, wie sich aus den landständischen Verhandlungen über das-
selbe (Landtagsacten v. J. 1337, Abth. 1, Bd. III, S. 5 17) ergiebt, nur den
Iweck gehabt, die bereits in dem Gesetze, die höheren Justizbehörden und den
Instanzenzug in Justizsachen betreffend, vom 2 Ssten Januar 1835, § 38, Nr. 1
getroffene Anordnung auf die durch das Eriminalgesetzbuch veränderten Verhält-
nisse zu übertragen, und in dieser Beziehung eine Erweiterung der Compe-
tenz der Untergerichte hinsichtlich der von ihnen zu erkennenden Gefängnißstrafen
auszusprechen, keineswegs aber hat dadurch der Umfang dieser Competenz in Hin-
sicht auf die Zuerkennung von Geldstrafen geändert, und am wenigsten in dieser
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