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Nicht vor den Friedensrichter gehören außerdem noch:
a) Vermögensstreitigkeiten zwischen einem Gemeinschuldner und seinen Gläubigern, sobald
förmlicher Concurs vom Gerichte eröffnet worden ist (formelle Concurssachen),
b) Vormundschaftssachen, also Irrungen zwischen Vormund und Mündel, Streitigkeiten
über das Vermögen Unmündiger und dessen Verwaltung,
Ehesachen, d. h. Streitigkeiten unter Eheleuten, welche das eheliche Verhältniß selbst angehen.
Auch mit Sachen dieser Art hat also der Friedensrichter sich nicht zu befassen.
&4. Der Umstand, daß eine Sache schon bei Gericht anhängig und zum Processe ge-
diehen ist, darf, dafern die Sache nur sonst nicht unter diejenigen gehört, welche nach § 20
des Gesetzes vom friedensrichterlichen Vermittlungsamte überhaupt ausgeschlossen sind, den
Friedensrichter nicht abhalten, eine Gütepflegung wegen der nämlichen Sache vorzunehmen,
wenn er von beiden Partheien gemeinschaftlich darum ersucht wird.
Er hat aber, wenn die Gütepflegung gelingt und ein Vergleich zu Stande kommt, die
Partheien darauf aufmerksam zu machen, daß sie den geschlossenen Vergleich bei dem Proceß-
gerichte anzeigen müssen, (§ 23 des Gesetzes).
5. Die Partheien, zwischen denen der Friedensrichter die Güte pflegen will, müssen
sowohl im Allgemeinen, als auch in besonderer Beziehung auf den streitigen Gegenstand und
auf das Recht, welches sie dabei verfolgen, selbstständig verfügen können (dispositionsfähig
sein), I§ 31 des Gesetzes l. Kann also der Friedensrichter schon bei dem Anbringen über-
sehen, daß er es bei der Gütepflegung mit nicht dispositionsfähigen Partheien zu thun haben
würde, so hat er die Sache von sich zu weisen.
Nicht dispositionsfähig im Allgemeinen sind Personen unter dem Alter von 21 Jahren,
sie müßten denn etwa ausnahmsweise von der höchsten Behörde für volljährig erklärt (mündig
gesprochen) worden sein, ferner Personen, die, obwohl volljährig, als gerichtlich erklärte
Verschwender, oder als geisteskrank, oder wegen eines körperlichen Gebrechens unter Vor-
mundschaft gestellt sind.
Da jedoch nach §§ 9, 10 der Gefindeordnung vom 10ten Januar 1835 (Gesetz-
und Verordnungsblatt von demselben Jahre, Seite 19) minderjährige Personen, welche
nicht mehr im Hause ihrer Aeltern oder Vormünder sind, sondern sich mit deren ausdrück-
licher oder stillschweigender Einwilligung in der Fremde befinden und sich daselbst bereits
ihr Fortkommen haben suchen müssen, die Einwilligung ihrer Aeltern oder Vormünder
nicht nöthig haben, um sich in Gesindedienst vermiethen zu können, und da ferner
Minderjährige, welche mit Einwilligung ihrer Aeltern oder Vormünder in Gesinvedienst
gegangen sind, zur zweiten oder weiteren Dienstoermiethung nach Beendigung des ersten
Dienstverhältnisses dieser Einwilligung der Regel nach nicht von Neuem bedürfen, so können
derhleichen minderjährige Dienstboten in Streitigkeiten mit ihren Dienstherrschaften wegen
Antritts oder Fortsetzung des Dienstvertrags oder wegen des Dienstlohns, von den Friedens-
richtern als dispositionsfähig betrachtet und zur Gütepflegung zugelassen werden.
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