Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1848. (14)

Verhöre der 
Angeklagten u. 
Zeugen 2c. 
(310) 
übung der ihnen als Geschwornen obliegenden Verrichtungen nicht aus Gunst, Gabe, 
Geschenk, Freund- oder Feindschaft, noch aus Furcht, Eigennutz oder einem son— 
stigen ähnlichen Beweggrunde zu handeln, sondern dabei nur Gott, die Gerechtig— 
keit und Wahrheit vor Augen zu haben und ihren Ausspruch nach ihrem Gewissen 
und der durch die Verhandlung in ihnen begründeten freien Ueberzeugung als Ehren— 
männer zu geben.“ 
Hierauf und nach einer sachgemäßen Anermahnung des Präsidenten hat jeder Geschworne 
unter den bei Eiden sonst üblichen Feierlichkeiten die Worte nachzusprechen: 
„Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!“ 
Darauf begeben sich die Geschwornen auf ihre, von der übrigen Zuhörerschaft geschiede— 
nen Sitze, die anwesenden Zeugen und Sachverständigen aber in das Zeugenzimmer. 
& 20. Alsdann verliest der Gerichtsschreiber auf Aufforderung des Präsidenten die An— 
klageschrift und das Erkenntniß der Anklagekammer auf Versetzung in den Anklagestand, wor- 
auf die Vernehmung des Angeklagten über alle für die Urtheilsfällung erheblichen Thatum- 
stände folgt, an welche sich die Abhörung der einzeln in das Sitzungszimmer herbeizurufenden, 
vor Beginn ihrer Befragung gehörig zu vereidenden Zeugen und Sachverständigen, deren 
etwa nöthige Confrontation mit dem Angeklagten oder unter sich, ingleichen in dem Falle, 
daß die in der Voruntersuchung abgehörten Zeugen oder Sachverständigen immittelst verstor- 
ben oder sonst auf keine Weise zum persönlichen Erscheinen gebracht werden konnten, das 
Vorlesen ihrer Herauslassungen in der Voruntersuchung, sowie endlich das Vorlesen sonstiger 
Urkunden und Vorzeigen anderer Beweisthümer in einer der Bestimmung des Präsidenten 
überlassenen Reihefolge anschließt. 
Die Geltendmachung neuer Thatumstände, welche in der Voruntersuchung nicht 
zur Sprache gekommen sind, ist für die Hauptuntersuchung nur dann zulässig, wenn dafür 
sogleich die entsprechenden Beweismittel angegeben und bei der Criminalbehörde so zeitig an- 
gezeigt worden sind, daß von ihr noch zwei volle Tage vorher der Gegentheil dapon benach- 
richtigt werden konnte. Dasselbe gilt von neuen Beweismitteln für bereits in der Vor- 
untersuchung enthaltene Thatsachen. 
30. Alle Mitglieder der Criminalbehörde und die Geschwornen, nachdem sie von 
dem Präsidenten das Wort erhalten haben, sind berechtigt, unmittelbar, nicht minder der 
Staatsanwalt, der Vertheidiger und der Angeklagte durch den Vorsitzenden an die eben ab- 
gehörten Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen noch Fragen zu stellen. 
# 31. Dem Pläsidenten steht es frei, den Angeklagten oder auch, bei mehreren An- 
geklagten, einen oder mehrere derselben während der Abhörung eines Zeugen oder der Ver- 
nehmung eines Mitangeschuldigten aus dem Sitzungssaale entfernen zu lassen. Er muß aber, 
bei Strafe der Nichtigkeit, denjenigen, den er entfernen ließ, sobald er ihn nach seiner Wie- 
dereinführung über den in seiner Abwesenheit verhandelten Gegenstand ebenfalls vernommen
	        
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