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verfassung, der Landeskollegien, der Gerichts= und allgemeinen Verwaltungs-
behörden, bei einer beabsichtigten Abweichung von vertragsmäßig zwischen dem
Landesfürsten und der Landschaft getroffenen Bestimmungen und bei allgemeinen
Gesetzen in Ansehung der Zehnten, Dienste, Meier= und sonstigen gutsherrlichen
Verhältnisse und Gefälle, sowie der Teilung der Gemeinheiten der Verhand-
lung und Übereinkunft mit den Ständen bedürfen; ein neues Zivil= und
Kriminalgesetzbuch, eine neue Prozeß= und allgemeine Polizeiordnung kann nicht
ohne Beratung mit den Ständen eingeführt werden und bei Abänderungen
der bestehenden allgemeinen Zivil= und Kriminalgesetze sind sie, so oft es die
Umstände gestatten, mit Bemerkungen, Gutachten und Rat zu hören (§ 26
bis 28). Nicht eben weiter ging auch, so weit die Zustimmung der Stände in
Frage kam, der erste Entwurf der N. L.-O., indem er sie nur erforderte bei
Erlaß, Anderung, authentischer Erklärung oder Aufhebung von Gesetzen, welche
die Landes= oder Steuerverfassung oder die Landeskollegien, Gerichts= und all-
gemeinen Verwaltungsbehörden, deren Wirkungskreis und ihre Verhältnisse
betreffen, oder sich auf Bestimmungen beziehen, die zwischen dem Landes-
herrn und den Ständen vertragsmäßig getroffen sind (JF 113). Um so be-
deutsamer war dagegen der Zusatz (§ 114), daß bei allen übrigen gesetzlichen
Bestimmungen die Stände zuvor mit ihrem Gutachten und Nat gehört werden
müssen. Die ständische Kommission hielt es jedoch für dringend geboten,
die dem Zustimmungsrecht der Stände gezogenen Grenzen wesentlich zu erweitern.
Zu diesem Zwecke trug sie darauf an, den Paragraphen dahin zu fassen:
„Die ständische Zustimmung ist erforderlich, wenn in Bezug auf
staatsbürgerliche oder privatrechtliche Verhältnisse oder auf die organische
Einrichtung des Staates neue gemeingültige Bestimmungen eingeführt
oder die bestehenden ergänzt, erläutert oder abgeändert werden.
Es können also auch Veränderungen in betreff der Landesverwaltung
überhaupt, insonderheit mit den Landeskollegien, deren Wirkungskreis und
der amtlichen Stellung derselben ohne ständische Zustimmung nicht vor-
genommen werden.“
Der Geheimrat v. Schleinitz bezeichnete diesen Wunsch als unannehmbar,
da er alles umfasse, kein Gesetz sich denken lasse, das alsdann nicht der stän-
dischen Zustimmung bedürfe, und die liertragung einer so weitgehenden Gesetz-
gebungsgewalt an die Stände mit dem monarchischen Prinzip und dem Art. 57
der Wiener Schlußakte kaum verträglich sei, obwohl zugegeben werden müsse,
daß in verschiedenen Verfassungsurkunden ähnliche Bestimmungen aufgenommen
seien. Im Fortgange der Verhandlungen war er jedoch, zumal die Stände-
versammlung selbst schon bei dem Beginne ihrer Beratungen auf eine genauere
Feststellung und angemessene Erweiterung ihrer Rechte bei der Gesetzgebung
Wert gelegt hatte, zu einem Entgegenkommen innerhalb gewisser Grenzen
bereit, erkannte an, daß der Wortlaut des Entwurfs zu Meinungsverschieden-
heiten mit den Ständen führen und „verdrießliche Entscheidungen der Gerichte“
veranlassen könne, und brachte — neben den im § 120 bis 123 aufgenommenen
Bestimmungen — die gegenwärtige Fassung des § 98 in Vorschlag, die seiner
Rbamm, Verfassungsgesetze. 2. Aufl. 12