Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1868. (34)

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Besondere Bestimmungen. 
Art. 46. 
Haben bei einem Verbrechen mehrere Personen als Urheber, Anstifter oder Gehülfen sich 
betheiligt (Theilnehmer), bei denen in Folge der Verschiedenheit ihrer persönlichen Verhält— 
nisse oder ihres verbrecherischen Willens verschiedene Strafgesetze zur Anwendung zu bringen 
sind, so daß nach Art. 44a, b, 45a, b rücksichtlich einiger Theilnehmer der Einzelrichter, 
rücksichtlich eines oder mehrerer aber das Bezirksgericht zuständig sein würde, so ist das Be— 
zirksgericht rücksichtlich aller Theilnehmer zuständig, auch wenn der nach dem schwereren Straf— 
gesetze zu Bestrafende nicht mit in der Untersuchung begriffen ist. 
Die Beihülfe und die Begünstigung sind von dem Gerichte zu untersuchen, wo das 
Hauptverbrechen zu untersuchen sein würde, gleichviel ob ein Urheber zur Untersuchung 
gezogen worden oder nicht. 
Die einfache Partirerei ist wie die Begünstigung zu behandeln, es wäre denn, daß keiner 
der Theilnehmer des Verbrechens, in Bezug auf welches die Partirerei verübt worden, zur 
Untersuchung gezogen wäre; solchenfalls ist die Partirerei als selbstständiges Verbrechen, und, 
ohne Unterschied des Betrags, als Einzelgerichtsfall zu behandeln (vergl. Art. 50). 
Art. 47a. 
Das Bezirksgericht kann mit Zustimmung des Staatsanwalts bis zur Entscheidung über 
Fortstellung oder Einstellung der Untersuchung, ein an sich zur Zuständigkeit des Bezirksge- 
richts gehöriges Verbrechen an den Einzelrichter zur weiteren Untersuchung und Aburtheilung 
verweisen, wenn nach den Umständen nicht zu erwarten ist, daß der Angeschuldigte im Falle 
seiner Verurtheilung mit einer höheren Strafe als mit einer im Gerichtsgefängnisse zu ver- 
büßenden Gefängnißstrafe oder einer Geldstrafe zu bestrafen sein werde. 
Der Einzelrichter ist an eine solche Verweisung, welche dem Angeschuldigten durch das 
Bezirksgericht zu eröffnen ist, gebunden, dafern nicht bei Fortstellung der Untersuchung sich 
annoch Umstände ergeben, nach welchen die Voraussetzung der Verweisung als irrig oder 
zweifelhaft erscheint. Solchenfalls hat der Einzelrichter, jedoch ohne Aussetzung der begonne- 
nen Erörterungen, Anzeige an das Bezirksgericht zu erstatten. 
Die Verweisung an den Einzelrichter ist jedoch unzulässig, wenn bei dem Verbrechen 
noch andere Personen betheiligt und in der Untersuchung begriffen sind, in Betreff deren 
wegen dieses Verbrechens oder wegen anderer zusammentreffender Verbrechen eine hohere 
Strafe als die im Abs. 1 gedachte zu erwarten ist. 
Nicht minder ist sie dann unzulässig, wenn die Untersuchung noch auf andere Verbrechen 
desselben Angeschuldigten gerichtet ist und letzterer in dessen Folge eine höhere Strafe, als die 
im Abs. 1 vorausgesetzte zu erwarten hätte, es wäre denn, daß dasjenige der zusammen- 
1868. 141
	        
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