Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1870. (36)

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* 23. Der Angeklagte kann sich zur Einwendung und Ausführung der ihm nach- 
gelassenen Rechtsmittel eines Vertheidigers bedienen. 
#6 224. Der Verurtheilte kann von dem Gerichte die Beiordnung eines Vertheidi- 
gers verlangen, wenn er in dem Erkenntnisse erster Instanz zu einer mindestens vier- 
jährigen Gefängnißstrafe oder Festungshaft oder zu einer Zuchthausstrafe verurtheilt 
worden ist. 
* 25. Ist der Angeklagte zu Todesstrafe verurtheilt worden, so ist die Ver- 
theidigung eine nothwendige, dergestalt, daß dem Verurtheilten ein Vertheidiger von 
Amtswegen durch den Untersuchungsrichter beizuordnen ist, wenn er nicht binnen drei 
Tagen von Bekanntmachung des Todesurtheils einen Vertheidiger benannt hat. 
IV. 
Die Wiedereinführung der Todesstrafe betreffend. 
#26. Die Bestimmungen in §§ 34, 35 des Gesetzes, das Verfahren in den vor 
die Geschwornengerichte gewiesenen Untersuchungssachen betreffend, vom 1. October 1868 
(Seite 1217 fg., Abth. II des Gesetz= und Verordnungsblattes vom Jahre 1868), finden 
auch in dem Falle keine Anwendung, wenn das Verbrechen mit der Todesstrafe bedroht ist. 
& 27. Die Annahme, daß der Angeschuldigte der Flucht verdächtig sei (Art. 151 
der Revidirten Strafprozeßordnung), bedarf keiner weiteren Rechtfertigung, wenn das 
Verbrechen mit Todes= oder Zuchthausstrafe bedroht ist. 
# 28. Ist auf Todesstrafe erkannt und ist hiergegen von dem Verurtheilten ein 
Rechtsmittel nicht eingewendet worden, so hat das Bezirksgericht, nach Bekanntmachung 
des Erkenntnisses und nach Ablauf der im Art. 86 der Revidirten Strafprozeßordnung 
geordneten Frist, dasselbe von Amtswegen dem Oberappellationsgerichte vorzulegen. 
Das Oberappellationsgericht hat, nach Gehör des Generalstaatsanwalts, zu prüfen, 
ob ein Nichtigkeitsgrund zu Gunsten des Verurtheilten vorliegt und, dafern sich hierbei 
ein solcher Grund ergiebt, so zu entscheiden, als ob hierauf von dem Angeklagten selbst 
eine Nichtigkeitsbeschwerde gegründet worden wäre. Es kann jedoch auch in diesem 
Falle deshalb, weil die Untersuchung und Aburtheilung durch ein anderes Bezirksgericht, 
beziehendlich Geschwornengericht, als das zuständige, erfolgt ist, das Erkenntniß nicht 
aufgehoben werden. 
Ist von dem Verurtheilten selbst oder zu seinen Gunsten von der Staatsanwaltschaft 
eine Nichtigkeitsbeschwerde eingewendet worden, so hat das Oberappellationsgericht neben 
der Prüfung der hierbei aufgestellten Beschwerdepunkte auch noch der vorstehend angeord- 
neten Prüfung sich zu unterziehen und demgemäß das Nöthige zu erkennen.
	        
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