404 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
ein Streik in der Fabrik „Pfeil“ ausgebrochen, der damit endigt, daß jenes erste Proberad
von den aus der Fabrik entlassenen Arbeitern zertrümmert und die Herstellung der Räder
Modell 28 für immer aufgegeben wird; vor Beginn des Streiks sind 40 Räder des ge-
nannten Modells fertig geworden und von A. an D., der sie früher bestellt hatte als B.,
käuflich geliefert. Hier ist die Frage, ob B. dem C. für die Lieferung der 30 Räder haft-
bar ist, in Ansehung des individuell bestimmten Musterrades zu verneinen. Dagegen ist sie
in Ansehung der nur der Gattung nach bestimmten 29 andern Räder zu bejahen; denn da
tatsächlich 40 Räder vom Modell 28 angefertigt und an D. geliefert sind, ist ja die
Lieferung jener 29 Räder „aus der Gattung“ möglich. II. Derselbe Fall wie zu I.; nur
ist der Streik in der Fabrik so früh ausgebrochen, daß außer dem Musterrade nicht ein
einziges Rad vom Modell Nr. 28 fertig geworden ist. Hier ist B. auch in Ansehung
der 29 andern Räder haftfrei; denn bei dieser Sachlage ist ja die Lieferung der 30 von B.
übernommen Räder auch aus der Gattung unmöglich.
Siehe auch noch unten S. 427 Nr. 3, 432 6, 433 y
1II. 1. Wird bei einem gegenseitigen Vertrage die einer der Vertrags-
parteien obliegende Leistung nach dem Vertragsschluß unmöglich, so treten zu
den zu I 1 bSRc festgestellten beiden Hauptregeln ergänzend die folgenden Vor-
schriften hinzu.
a) Ist die Unmöglichkeit der Leistung vom Leistungsschuldner zu vertreten,
so hat der Gläubiger ein dreifaches Wahlrecht (s. 325 1 Satz 1).
a) Erstens kann er den Vertrag in vollem Umfang aufrechterhalten. Tut
er dies, so kann er einerseits von der Gegenpartei die Vornahme der unmög-
lichen Leistung oder Schadensersatz wegen Ausbleibens der Leistung verlangen,
muß aber andrerseits auch die ihm selber obliegende Gegenleistung unverkürzt
entrichten.
5) Zweitens kann er den Rücktritt von dem Vertrage erklären. Tut er
dies, so kann er einerseits von der Gegenpartei weder die Vornahme der un-
möglichen Leistung noch irgendeinen Schadensersatz fordern, wird aber andrer-
seits von der ihm selber obliegenden Gegenleistung befreit; ja er kann die
Gegenleistung sogar, wenn er sie bereits vorgenommen hat, nach den für die
Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung geltenden Regeln zurückfordern.
9) Drittens und letztens kann er einen Mittelweg einschlagen, indem er
den Vertrag nur insoweit aufrechterhält, als es die Schadensersatzpflicht der
Gegenpartei angeht. Tut er dies, so kann er einerseits von der Gegenpartei
zwar nicht die Vornahme der unmöglichen Leistung, wohl aber Schadensersatz
wegen Ausbleibens der Leistung fordern und wird andrerseits von der ihm
selber obliegenden Gegenleistung befreit; ja er kann die Gegenleistung sogar,
wenn er sie bereits entrichtet hat, nach den für die Herausgabe einer ungerecht-
fertigten Bereicherung geltenden Regeln zurückfordern, es sei denn, daß er bei
der Vornahme seine Nichtverpflichtung gekannt hat. Doch genießt die Gegen-
partei dabei der Vergünstigung, daß sie auf die von ihr als Schadensersatz zu
zahlende Summe in Anrechnung bringen darf, was der Gläubiger durch Unter-
lassung der Gegenleistung erspart oder durch Zurückerstattung der Gegen-
leistung gewinnt.
b) Ist die Unmöglichkeit der Leistung umgekehrt vom Leistungsgläubiger