Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1903. (69)

2. Ermäßigungsgesuche von Ortsarmenverbänden sind unter Beifügung 
der Armenkassenrechnungen der letzten drei Jahre und unter Angabe des Verhältnisses 
der Gemeinde= zu den Staatssteuern an die Kreishauptmannschaft einzuberichten. Diese 
hat das Gesuch dem Ministerium des Innern gutachtlich vorzutragen. 
3. Ermäßigungsgesuche von anderer Seite sind stets unter Darlegung der 
einschlagenden Verhältnisse bei der Anstaltsdirektion anzubringen. Diese hat das Gesuch, 
soweit noch nötig, zu erörtern und es, dafern sie nicht zu dessen Befürwortung gelangt, 
abzuweisen; andernfalls hat sie, sofern sie nicht selbst ermächtigt ist, die Ermäßigung zu 
bewilligen, das Gesuch mit den Akten dem Ministerium gutachtlich vorzulegen. Eine 
Ermäßigung unter den in § 19 Ziffer 2 festgesetzten Betrag wird nicht gewährt. 
4. Wird eine Ermäßigung ausdrücklich bewilligt oder stillschweigend dadurch gewährt, 
daß von einer Erhöhung, die an sich einzutreten hätte, aus irgend welchem Grunde ab- 
gesehen wird, so gilt der weniger gezahlte Betrag nicht für erlassen, sondern nur für 
gestundet. Seine Nachforderung nach dem jeweilig geltenden vollen Verpflegssatze 
(§ 19 verbunden mit § 11) bleibt vorbehalten (vergleiche § 22). Dies gilt namentlich 
auch für den Fall, daß der Verpflegte wiederholt untergebracht gewesen ist, hinsichtlich 
der früher bewilligten Ermäßigungen. 
Dasselbe gilt hinsichtlich des durch den Beitrag des Ortsarmenverbandes (§ 19 
Ziffer 2) nicht gedeckten Teiles des jeweilig geltenden vollen Verpflegssatzes (§ 19 
verbunden mit § 11). 
822. 
Nachzahlungsanspruch. 
Von dem nach 8 20 Absatz 3 und 8 21 Ziffer 4 vorbehaltenen Nachforderungsrechte 
wird insbesondere Gebrauch gemacht: 
wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen (8 17) sich wesentlich 
bessern oder von Anfang an unrichtig angegeben worden sind, 
oder wenn sich die beigebrachten Nachweise, soweit sie auf die Höhe des Verpflegs- 
satzes von Einfluß gewesen sind, hinterher als unrichtig ergeben (vergleiche 
auch § 20 Absatz 3). 
Die Stundung der Nachforderung gemäß § 21 Ziffer 4 endet nicht eher, als bis die 
Tatsachen, auf Grund deren das Nachforderungsrecht geltend gemacht wird, zur Kenntnis 
der Anstalt gekommen sind. Vorher beginnt eine etwaige Verjährung nicht zu laufen. 
Glaubt die Anstaltsdirektion, daß im einzelnen Falle davon abzusehen sei, den Nach- 
zahlungsanspruch geltend zu machen, so hat sie die Entschließung des Ministeriums des 
Innern einzuholen. 
68“
	        
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