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Theorie widerspricht, aber doch die ganze praktische Bewegung
beherrscht, und auch in ihrer begrifflichen Bedeutsamkeit durch
die gerade nach dieser Richtung hin besonders anregenden Unter-
suchungen STAMMLERS herausgestellt ist. Um so wichtiger ist
die kritische Betrachtung der Richtigkeit des Zukunftsrechts in
dem eben dargelegten Sinne.
III.
„Alle bisherigen Rechtsordnungen . . . haben immer den Zweck ver-
folgt, den Nutzen der wenigen Mächtigen auf Kosten der breiten Volks-
massen zu fördern“ (S. 3).
Die älteren Rechtsordnungen bis zur französischen Revolution
verfolgten diesen Zweck unmittelbar und offen durch die Rechts-
institute der Sklaverei, Leeibeigenschaft, Hörigkeit und die sonstigen
feudalen und patrimonialen Abhängigkeitsverhältnisse. An deren
Stelle ist seit der grossen Revolution zwar das System der Ver-
tragsfreiheit getreten;
„da jedoch diese nur eine scheinbare ist und bei den wichtigeren Ver-
trägen Reiche und Arme, Mächtige und Machtlose sich gegenüberstehen,
so blieben die Besitzlosen ungeachtet jener Auflösung der persönlichen
Abhängigkeitsverhältnisse als Volksklasse den Reichen so wie früher unter-
worfen“,
Das ist ja das allbekannte sozialistische Grunddogma. Das
Wesen des heutigen „individualistischen Machtstaates“ sieht
MENGER darin, dass die individuellen Interessen der Mächtigen
fast ausschliesslich, dagegen jene der Schwachen nur in sehr
geringem Masse den Gegenstand der staatlichen Thätigkeit
bilden. Diese Staatsordnung sei nun aber nicht die Wirkung,
sondern vielmehr die Ursache der individuellen Wirtschafts-
ordnung,
„weil die wirtschaftlichen Interessen der Herrschenden und Besitzenden
auf diese Weise wenigstens in der Regel viel mehr als durch jedes staat-
liche Eingreifen begünstigt werden“ ($. 23).
Demgegenüber beruhe das Wesen des sozialistischen Zu-
kunftsstaates oder „volkstümlichen Arbeitsstaates“ darauf, dass
die individuellen Interessen der grossen Volksmassen das Haupt-
Archiv für öffentliches Recht. XVIIL 8. 96