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Nr. 35. Verordnung,
die Ablieferung von Leichen zu wissenschaftlichen Zwecken betreffend;
vom 4. Mai 1910.
Die Vorschriften, die über die Ablieferung von Leichen zu wissenschaftlichen
Zwecken in Verordnungen, Anstaltsstatuten und Hausordnungen ergangen sind,
werden,
§1.
82.
wie folgt, zusammengestellt und ergänzt.
Zu wissenschaftlichen Zwecken sind abzuliefern die Leichen
a) der hingerichteten Verbrecher, unbeschadet der Vorschrift des 8 486
Absatz 5 der Strafprozeßordnung,
b) der Personen, die in einer staatlichen, Gemeinde- oder Bezirksanstalt ver—
storben sind und dort zum Zwecke des Strafvollzugs oder der korrek-
tionellen Behandlung untergebracht waren,
Jc) der Selbstmörder, dafern nicht anzunehmen ist, daß der Selbstmord
im Zustande der Unzurechnungsfähigkeit begangen ist,
d) der tot aufgefundenen unbekannten Personen, wenn weder der bei
der Leiche vorgefundene Nachlaß die Kosten der Beerdigung deckt,
noch sichere Aussicht für Rückerstattung dieser Kosten vorhanden ist.
Die Ablieferung hat zu unterbleiben, wenn:
a) die Leiche von den Angehörigen binnen 48 Stunden nach dem Tode
oder der Auffindung verlangt wird, um von ihnen bestattet zu werden,
b) der Beförderung der Leiche gesundheitliche Bedenken entgegenstehen,
J) die Leiche schon so verwest ist, daß sie zu anatomischen Lehrzwecken
nicht mehr tauglich erscheint,
d) die Annahme der Leiche zu anatomischen Zwecken abgelehnt wird, weil
der Bedarf vorübergehend gedeckt ist,
e) von der in Frage kommenden Anstaltsdirektion — was die Gerichts-
gefängnisse anlangt, von der Dienstbehörde des Gefängnisbeamten —
oder von der Verwaltungsbehörde (Amtshauptmannschaft beziehent-
lich Stadtrat in den Städten mit Revidierter Städteordnung) die
Ablieferung der Leiche zu wissenschaftlichen Zwecken aus einem andern
besondern Grunde für bedenklich erklärt wird.