Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1910. (76)

Verteilung des 
Lehrstoffes. 
Bemerkungen. 
— 594 — 
Obersekunda: 2 Stunden. 
§9. Geschichte des religiösen Lebens im Volke Israel mit Lektüre ausgewählter 
Abschnitte aus Propheten, Psalmen, Hiob, nebst alttestamentlicher Bibelkunde. Person 
und Lebenswerk Jesu. Geschichte der urapostolischen Gemeinde. 
Unterprima: 2 Stunden. 
Geschichte des Apostels Paulus mit Lektüre schwierigerer Briefe. Neutestament- 
liche Bibelkunde (Grundgedanken, Zweck und Bedeutung der Schriften, Organismus 
des Neuen Testaments). 
Geschichte des religiösen Lebens in der alten Kirche, im Mittelalter und im Zeitalter 
der Reformation unter Hervorhebung dessen, worin das Christentum neue Seiten seines 
Wesens entfaltet, und unter Berücksichtigung der heimatlichen Kirchengeschichte. 
Oberprima: 2 Stunden. 
Evangelische Glaubens= und Sittenlehre mit Lektüre ausgewählter Abschnitte 
der Heiligen Schrift. 
Geschichte des religiösen Lebens vom Ausgang des sechzehnten Jahrhunderts bis 
zur Gegenwart; besonders die kirchliche Liebestätigkeit und die Missionsarbeit. 
§ 10. 1. Im Religionsunterrichte ist stets das religiös Wertvolle in den Vorder- 
grund zu stellen und nirgends einseitig auf Aneignung bestimmten Wissensstoffes 
abzuzielen; bei der wissenschaftlichen Ausbildung der Schülerinnen darf die Sorge 
um ihr inneres religiöses Leben nie hintangesetzt werden. 
2. Damit die Werte und Kräfte des Christentums sich den Schülerinnen möglichst 
unmittelbar darstellen, sind diese vor allem mit der Heiligen Schrift vertraut zu machen 
und zum selbständigen Lesen der Bibel zu erziehen. Auch im kirchengeschichtlichen 
Unterrichte, namentlich der Studienanstalt, empfiehlt sich die Benutzung geeigneter 
Quellen. Ein biblisches Lesebuch kann in der höheren Mädchenschule die Stelle der 
Vollbibel vertreten. 
3. Die in der Bibelkunde etwa in Betracht kommenden kritischen Fragen legen 
der wissenschaftlichen Fortbildung, dem Verantwortlichkeitsgefühle und dem päda- 
gogischen Takte der Lehrer besonders ernste Pflichten auf. 
4. Wie es die Hauptaufgabe des evangelischen Religionsunterrichts ist, das Heil 
in Christo anzueignen und christliche Persönlichkeiten zu erziehen, so gilt es in der 
Behandlung der Geschichte des Christentums besonders, christliches Leben in geschicht- 
licher Ausprägung und damit den Geist wahren Christentums als eine im geistigen und
	        
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