Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1910. (76)

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obersten Stufe. In den schriftlichen Arbeiten der ersten Lehrgänge dürfen nur Wörter, 
Formen und Konstruktionen vorkommen, die gründlich eingeübt worden sind. Die 
Hausarbeiten sollen hinter den Klassenarbeiten nicht zu sehr zurücktreten, damit auch 
die langsamer arbeitenden Schülerinnen Gelegenheit haben, ihr Wissen und Können 
zu beweisen, und damit alle an Sorgfalt und Sauberkeit in der äußeren Haltung der 
Hefte gewöhnt werden. Auch dürfen die Klassenarbeiten, für die der Text häufiger 
im Anschluß an die Lektüre auszuarbeiten ist, nicht das Wesen peinlicher Prüfungs— 
arbeiten dadurch annehmen, daß nach ihrem Ausfall einseitig das Können der 
Schülerin beurteilt wird. Nicht genug kann davor gewarnt werden, den Schülerinnen 
Schwierigkeiten zuzumuten, die über die Sprachmittel hinausgehen, deren Verwen— 
dung ihnen geläufig und vertraut geworden ist. Die deutsche Vorlage soll schlicht und 
leicht verständlich sein und nicht darauf ausgehen, möglichst viel Regeln in sich zu 
schließen. Wichtiger ist es, von vornherein darauf zu achten, daß sie Gelegenheit bietet, 
die deutsche Sprachform in die der lateinischen Sprache eigentümliche umzudenken 
und so ein Verständnis für die Eigenart beider Sprachen zu beweisen und aus— 
zubilden. 
6. Sowohl bei den mündlichen Übersetzungsübungen wie im Anschluß an die 
Lektüre empfiehlt es sich für alle Stufen, lateinische Fragen zu stellen und dadurch 
den Schülerinnen Gelegenheit zu geben, sich in ganzen Sätzen lateinisch auszudrücken 
und schließlich kleine Berichte über das Übersetzte und Gelesene zu geben. In den 
oberen Klassen der gymnasialen Abteilungen mögen dann und wann auch kleine 
Aufgaben zu freier Bearbeitung gestellt werden, nur ist auf derartige Leistungen ein 
entscheidendes Gewicht nicht zu legen. 
7. Eine besonders wichtige Aufgabe ist die erste Einführung in zusammenhängende 
Lektüre. Auf das sorgfältigste muß hier ausgenutzt werden, was im deutschen und 
französischen Unterricht an Erkenntnis des logischen Verhältnisses der einzelnen Neben- 
sätze zum Hauptsatz und zueinander gewonnen worden ist. Zunächst verfährt man 
ebenso wie anfangs bei der Übersetzung der Übungssätze ins Deutsche: der Lehrer liest 
den Satz vor, die noch unbekannten Wörter werden erläutert und notwendige gram- 
matische und sachliche Erklärungen gegeben, alles möglichst unter Anlehnung an Be- 
kanntes und unter Heranziehung der ganzen Klasse. Die dann folgende Entwicklung 
der Konstruktion kann bei größeren Perioden mit Nutzen durch ein Satzbild an der 
Tafel anschaulich gemacht werden, wie es die Schülerinnen von der deutschen Satz- 
lehre her gewohnt sind. Nun erst übersetzt eine Schülerin, ohne unterbrochen zu 
werden, und die Gesamtheit übernimmt die Verbesserungen. An geeigneten Ein- 
schnitten gibt der Lehrer die etwa noch notwendigen sachlichen Erklärungen wie seine 
eigene Übersetzung und verlangt zum Schlusse ein sinngemäßes Lesen des über-
	        
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