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3. Es wird für gute Jahrgänge der realgymnasialen Abteilung möglich sein, die
Lehrpensen in den Oberklassen zu erweitern, etwa durch Aufnahme eines Abschnittes
über Transversalen, harmonische Punkte und Verwandtes in Obersekunda und durch
Einführung in die infinitesimalen Grundbegriffe und Aufgaben über größte und
kleinste Werte in Oberprima.
4. An geeigneten Stellen in knapper und sorgsam abgewogener Weise Tatsachen
aus der Entwicklungsgeschichte der Mathematik einzuflechten, wird wesentlich zur
Belebung des Unterrichts beitragen.
5. Der Lehrplan enthält sich absichtlich engformulierter Einzelvorschriften für die
einzelnen Klassenlehrgänge. Es wird aber vorausgesetzt, daß sich der Unterricht auf
allen Stufen die wertvollen Anregungen einer neueren Methodik zunutze macht.
Schon in Untertertia wird die Gerade zur Abbildung der Zahlenreihe und der ersten
Operationen erscheinen. Kariertes Papier wird als Unterrichtsmittel für graphische
Darstellungen in allen Klassen als unentbehrlich zu gelten haben, und die analgytische
Geometrie der obersten realgymnasialen Klasse muß wohlvorbereiteten Boden für
ihren Grundgedanken der Darstellung funktionaler Beziehungen finden.
6. Zu frühes Einsetzen und ausschließliche Anwendung abstrakter Schlußfolgerungen
und Beweisgänge sind namentlich in den Anfangsklassen geeignet, die Mädchen noch
mehr abzuschrecken als die Knaben. Gegenüber der glücklichen Begabung der meisten
Mädchen nach der Seite der sinnlichen Anschauung wird solche schwerflüssig strenge
Methodik, einseitig angewendet, geringere Ergebnisse erzielen als die geschickte Ver-
wendung schlicht anschaulicher Beweismittel, wie der Beweglichkeit und der Symme-
trie. Bei alledem darf aber nicht aus den Augen verloren werden, daß die Schülerinnen
daran zu gewöhnen sind, für mathematische Wahrheiten Beweise in klarer Schlußkette
zu suchen.
7. Der theoretische Aufbau jedes Teilgebietes der Elementarmathematik ist so
knapp als irgend möglich zu halten, dafür aber in jedem Jahrgang unbedingt zur vollen
Beherrschung zu bringen. Auf allen Gebieten, insbesondere in der Trigonometrie
und analytischen Geometrie ist Überladung mit Formeln zu meiden.
8. Das weite Gebiet der Anwendungen und Aufgaben wird je nach der Zusammen-
setzung der Klasse, der Länge des Schuljahres und ähnlichen Verhältnissen verschieden
sein dürfen. Die Aufgaben sind nach den Lösungsmethoden in klare Gruppen zu
ordnen, dabei alle Künsteleien und absichtlichen Komplikationen zu meiden und Ver-
bindungen zu anderen Unterrichtsfächern und zum praktischen Leben zu pflegen.
9. Wie einerseits angenommen wird, daß der Rechenunterricht der höheren
Mädchenschule dem arithmetischen der Studienanstalt vorgearbeitet hat, so hat dieser
fortwährend rückwärts die Verbindung mit jenem aufrecht zu erhalten. Dazu gehört
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