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Nr. 87. Gesetz,
die Ablieferung der Leichen zu wissenschaftlichen Zwecken und die Offnung
von Leichen betreffend;
vom 5. Oktober 1912.
W38, Friedrich August, von GOTTES Gnaden König
von Sachsen usw. usw. usw.
verordnen mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt:
§ 1. G□) Menschliche Leichen, deren Bestattung nicht von Angehörigen, Erben,
Vermächtnisnehmern oder anderen, dem Verstorbenen nahestehenden Personen auf
cigene Kosten übernommen wird, sind unbeschadet der Vorschrift des § 486 Absatz 5
der Strafprozeßordnung zu wissenschaftlichen Zwecken abzuliefern.
() Die Ablieferung erfolgt 48 Stunden, die wissenschaftliche Verwendung
frühestens 72 Stunden nach dem Tode oder der Auffindung der Leiche. Bis dahin
kann die Bestattung übernommen werden.
(3) Für die Ablieferung hat, wenn der Tod in einer öffentlichen Anstalt erfolgt
ist, die Anstaltsverwaltung, andernfalls die Ortspolizeibehörde zu sorgen. Durch dic
Ausführungsverordnung können auch noch andere Ablieferungsstellen bestimmt
werden.
§ 2. Die Ablieferung unterbleibt, wenn
a) der Beförderung der Leiche gesundheitliche Bedenken entgegenstehen,
b) die Leiche schon so verwest ist, daß sie zu anatomischen Lehrzwecken nicht mehr
tauglich erscheint,
Jc) ihre Annahme zu solchen Zwecken abgelehnt wird,
d) die an sich zur Ablieferung verpflichtete Stelle ausnahmsweise aus einem
besonderen Grunde davon absieht. Als ein besonderer Grund gilt nicht, daß
die Bestattung aus privaten Mitteln gesichert ist.
§ 3. □1) Die Ablieferung erfolgt in der Regel an das anatomische Institut
der Universität Leipzig. Für gewisse Fälle kann auch die Ablieferung an den militär-
ärztlichen Operationskurfus im Garnisonlazarett zu Dresden, an die Kunstakademie
zu Dresden oder an eine andere wissenschaftliche Anstalt angeordnet werden.
(2) Die Kosten der Ablieferung trägt die Anstalt, welche die Leiche empfängt.
§ 4. Die für wissenschaftliche Zwecke nicht verwendeten Teile der Leiche werden
von der Anstalt (§ 3 Absatz 2) und auf deren Kosten in angemessener Weise bestattet.
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