Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

88 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
gesehen von den hierarchischen Verhältnissen der Organe unterein- 
ander — nicht dadurch bewirkt, dals die Kompetenz ursprünglich 
einer anderen Person zusteht und dem Organe nur in Ausübung oder 
in Vertretung eines fremden Rechtes neben seinem eigenen Individual- 
recht übertragen ist. | 
Es liegt hier ein voller Gegensatz zu jedem gesellschaft- 
lichen Bevollmächtigungsverhältnis vor. 
Der Bevollmächtigte der Gesellschaft, auch wenn er durch den 
Umfang seiner Vollmacht zu einer Selbständigkeit des Handelns be- 
rechtigt ist, die ihn äußserlich einem korporativen Organe gleichstellt, 
ist es doch immer nur als Vertreter der einzelnen Gesellschafter, die 
sich in der Bevollmächtigung gebunden haben. Der Bevollmächtigte 
leitet alle seine Rechte, die er iım innern der Gesellschaft oder Dritten 
gegenüber ansprechen kann, immer nur von den Willensbestimmungen 
der einzelnen Gesellschafter ab, mit denen diese über ihre individuelle 
Rechtssphäre verfügen. 
Es liegt aber auch ein voller Gegensatz zu den Vertretungsver- 
hältnissen vor, die in der Familiengewalt über Unmündige ihr natur- 
gegebenes Vorbild und in der diese ersetzenden Vormundschaft, sowie 
in den Vogteiverhältnissen ihre Fortbildung finden. Denn hier wird 
ein unreifer, kranker oder aus irgend einem Grunde durch das Recht 
als unzulänglich qualifizierter Wille durch einen reifen und als rechts- 
wirksam anerkannten Willen ergänzt, „vertreten“. 
Bei den Organen des korporativen Verbandes dagegen handelt 
es sich darum, um eines Gemeinzweckes willen einen von der recht- 
lichen Disposition der einzelnen Beteiligten unabhängigen und mithin 
auch auf die Reife oder Unreife, auf die rechtliche Zulänglichkeit oder 
Unzulänglichkeit nicht reflektierenden, weil auch von der Summe der 
reifen und zulänglichen Willen verschiedenen Gremeinwillen darzu- 
stellen. 
Darum stehen die Rechte und Pflichten dem Organe als solchem 
niemals in Ableitung von den Einzelnen, den Mitgliedern des korpo- 
rativen Verbandes, oder in Vertretung derselben zu, sondern sie stehen 
ihm zu kraft der objektiven Rechtsordnung, welche die Scheidung nach 
Organen und Mitgliedern bewirkt. Das Organ leitet seine Rechte 
und Pflichten nicht aus der Rechtssphäre oder aus der Rechtsstellung 
der Einzelnen ab, sondern genau in der nämlichen Weise wie die 
Mitglieder ihre eigene Rechtsstellung unmittelbar aus der 
korporativen Verfassung selbst. 
Im Staate tritt das — immer wieder vorbehaltlich der Eigen- 
berechtigung oder der Ableitung der Kompetenzen innerhalb der
	        
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