102 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
gefühl, Gemeinwille — zu gründen, zu Vorstellungen, die unser Er-
kenntnisvermögen übersteigen und die damit zugleich aufserhalb der
sittlichen und rechtlichen Malsstäbe liegen, die wir allein für mensch-
liches, das ist immer nur für individuelles Wollen zu bilden ver-
mögen.
Das gerade ist das höhere Wesen und die sittliche Bedeutung
dieser Organisationsform, dafs Menschen, trotz ihrer Beschränkung auf
ein nur individuelles physisches und geistiges Leben, in und durch den
korporativen Verband in .bewulster Einheitlichkeit und Planmäflsigkeit
Zwecke verfolgen können, die das Vor-, Mit- und Nacheinander un-
gezählter Generationen voraussetzen.
Der Staat vor allem ist es, der uns diese Bedeutung des korpo-
rativen Verbandes vor Augen führt.
8 14.
Die juristieche Persönlichkeit des korporativen Verbandes.
Dasjenige, was den korporativen Verband in seinem Inneren zu-
sammenschlieist, sind — selbstverständlich- in entsprechender Einfügung
der Mitglieder — die leitenden und veranstaltenden Befugnisse der
Organe. In der Stellung der letzteren ist es begründet, dafs sie die
Verfügung über die wirtschaftlichen Güter haben, die die Ausrüstung
des Gemeinzweckes bilden; ihre Befugnisse sind es, die die Leistungen
der Mitglieder zu einer Gesamtleistung vereinigen. Damit stellen
die Organe in den socialen Zusamnıenhängen eine verstärkte Willens-
macht dar. Und dieser Thatbestand ist es, der auf Grund der inneren
Verfassung den korporativen Verband auch nach aulsen, in den mannig-
fachsten Beziehungen zu Dritten als eine Einheit, als ein Ganzes wirksam
macht. Aber auch hier beruht die Einheit, die Ganzheit auf den
Organen. Sie wird gewonnen dadurch, dafs den Organen auf Grund
ihrer verfassungsmälsigen inneren Rechtsstellung auch die Kompetenz
der Vertretung nach aulsen erwächst.
Die Wirksamkeit nach aulsen — zunächst die dem Staate unter-
geordneten korporativen Verbände ins Auge gefalst — ist eine drei-
fache.
Sie äulsert sich in Beziehungen zu anderen übergeordneten kor-
porativen Verbänden, denen der betreffende Verband ein- und unter-
geordnet ist, insbesondere zu dem Staat und zu den Gemeinden.
Hierdurch wird die öffentliche Stellung begründet.
Sie entfaltet sich im Verhalten zu anderen, koordinierten Einzelnen
oder korporativen Verbänden.