Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

104 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Das findet seinen wesentlichen Ausdruck in der Gestaltung des 
Vermögensrechtes. 
Die für den Gemeinzweck bestimmten Sachgüter stehen rechtlich 
im Sonder- oder Miteigentum oder in sonstiger dinglicher Berechtigung 
der Einzelnen, bei denen die rechtlichen Entstehungsgründe eingetreten 
sind; die der Gemeinschaft diensamen Forderungsrechte kompetieren 
denjenigen Einzelnen, die sie den Dritten gegenüber selbst oder durch 
Beauftragung begründen. Der innere korporative Verband bewirkt es 
lediglich, dals die Organe und Mitglieder unter sich verpflichtet sind, 
über die rechtlichen Zuständigkeiten, die ihnen den Dritten gegenüber 
als Einzelnen erwachsen, so und nur So zu verfügen, wie es der Ge- 
meinschaftszweck nach Malsgabe des Statutes und der rechtsgültigen 
korporativen Beschlüsse erfordert. 
Ganz ebenso treffen die Verbindlichkeiten, welche im Interesse 
des Gemeinzweckes nach aulsen eingegangen werden, nur denjenigen, 
der sie dem Dritten gegenüber selbst oder durch Beauftragung be- 
gründet, und sie treffen ihn mit der nämlichen Wirkung, wie jede 
andere im eigenen Interesse eingegangene Verbindlichkeit. Nur ge- 
winnt er kraft der inneren Verfassung des korporativen Verbandes 
gegenüber den hieran Beteiligten das Recht, dals die ihm erwachsenen 
Belastungen nach dem statutenmälsigen Malsstabe der Verteilung und 
Aufbringung der Lasten zum Ausgleich gebracht werden. 
Endlich und selbstversändlich können die Rechte nnd Verbind- 
lichkeiten im Verhältnis zu Dritten immer nur von den Einzelnen 
und gegen die Einzelnen vor Gericht zur Geltung gebracht werden, 
bei denen der Berechtigungs- und Verpflichtungsgrund zutrifft. 
In mustergültiger Folgerichtigkeit hat das preulsische Landrecht 
(II, 6) in der „erlaubten Privatgesellschaft“ den Typus dieses, nur in 
seinem Inneren bestehenden, aber nach aulsen rechtlich unwirksamen 
korporativen Verbandes zum Ausdruck gebracht. 
II. Dem korporativen Verbande, dem das positive Recht die 
Wirksamkeit nach aulsen versagt, steht derjenige gegenüber, dem 
dasselbe das Recht der juristischen Persönlichkeit zuerkennt. 
Hierfür besteht ein doppeltes System. 
Entweder die Zuerkennung der juristischen Persönlichkeit ist ab- 
hängis: von der staatlichen, in freier Erwägung zu gewährenden Ver- 
leihung von Fall zu Fall. 
Oder aber dieselbe tritt kraft Gesetzes allgemein! oder doch für 
  
ı Königl. sächsisches Gesetz, die juristischen Personen betreffend, vom 
15. Juni 1868. Bayerisches Gesetz, die privatrechtliche Stellung von Vereinen 
betreffend, vom 29. April 1869.
	        
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