$ 15. Die dreifache Wurzel der Suveränetät. 109
Gebiet beschränkt bleibt. Wie seine Macht, so bewährt sich auch
das Recht des Staates mannigfach auch aulserhalb desselben.
Das rechtliche Wesen der Gebietskörperschaft ist es vielmehr
dals die Thatsache der Einwohnung und selbst nur des Ver-
weilens innerhalb der Grenzen des Gebietes im Recht als der überall
ausreichende und überall sich bewährende Grund anerkannt ist, um
jedermann, bei dem diese Thatsache zutrifft, in ein Verhältnis der
Zugehörigkeit zu dem korporativen Verband zu versetzen.
Der Staat als Gebietskörperschaft berührt daher alle auf seiner
Gebietsfläche wirksamen gesellschaftlichen Elemente und deren Ver-
bindungsweisen. Er gliedert sich dieselben ein.
Er bewirkt dies in verschiedener Weise. Die Zugehörigkeit ge-
staltet sich entweder als „Angehörigkeit“, als „Mitgliedschaft“ — diese
kann allerdings auch ohne Beziehung auf sein Gebiet entstehen und
fortbestehen — oder als jene Zugehörigkeit des „Fremden“, die den-
selben immer nur durch den Eintritt in das Gebiet trifft und ihn
alsdann einer Herrschaft schutzherrlicher Art unterwirft. Die Rechts-
stellung der Zugehörigkeit mag sich weiterhin nach mannigfachen
Gesichtspunkten individualisieren und selbst unter ausnahmsweisen Um-
ständen bis zur „Exterritorialität“ abschwächen. Aber selbst diese
letztere ist nur eine relative. Niemals duldet es der Staat, dafs auf
irgend einem Punkte seines Gebietes sich: eine gesellschaftliche Wirk-
samkeit entfaltet, die sich thatsächlich und rechtlich jeder Beziehung
auf ihn selbst entschlägt. Er ist darum entweder — als Stadtstaat —
die einzige Gebietskörperschaft oder, wo anderweitige, von ihm unter-
schiedene Gebietskörperschaften — die Gemeinden im weitesten Sinne
— innerhalb seiner Grenzen bestehen, versetzt er auch diese in dasselbe
Verhältnis der Angehörigkeit zu seinem Verbande, wie die andern
gesellschaftlichen Elemente und Organisationen.
So ist der Staat der höchste korporative Verband einer Volks-
gemeinschaft unter dem Gesichtspunkte, dals alle auf seinem Gebiete
wirksamen Individuen und gesellschaftlichen Verbindungsweisen in den
Bereich seiner herrschaftlichen Organisation fallen, dals er sie aus-
nahmslos befalst und zusammenfafst.
I. Die äufsere Gestaltung ist keine zufällige. Sie ist der not-
wendige Ausdruck des innern Bildungsprinzipes, das jeden korporativen
Verband und auch den Staat aufbaut und erfüllt. Einer alle gesell-
schaftlichen Kräfte befassenden Organisation entspricht ein sie alle
befassender Gemeiuzweck.
Der Thatbestand jedes ausgebildeten Staatswesens ergiebt eine
zweifache Aufgabe, die sich dasselbe setzt.