Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 16. Die Surveränetät und das Recht. 115 
anderen csleichartigen Erscheinungen — korporativen Verbänden, 
Herrschaften, Willensmächten — einen Grad- und Grölsenunterschied be- 
zeichnet. Allein als dieser Superlativ, als Grad- und Gröfsenbestim- 
mung ist sie allerdings ein dem Staat allein, ausschlielslich und 'un- 
geteilt zustehendes Merkmai, das seine Eigenart mit jeder anderen 
eesellschaftlichen Organisation unvergleichlich macht. 
III. Die Suveränetät ist eine Aussage über Eigenschaften einer 
gesellschaftlichen Organisationsform. Damit ist jede Deutung 
zurückgewiesen, als ob der Staat um seiner Suveränetät willen nur 
in einem zufälligen Verhältnisse zum Rechte stünde, als ob er 
dasselbe nach seinem Belieben anerkennen und setzen und sich nach 
seinem Belieben von demselben lossaeen könnte. 
Das Recht ist das der menschlichen Gesellschaft in 
allen ihren Organisationsformen notwendige Ordnungs- 
prinzip. Denn Gesellschaft ist nicht der zufällige Zusammenstols 
und Abprall von Willensmächten oder die Überwältigung der einen 
durch die anderen in einem Sklavenverhältnisse. Sie ist vielmehr 
die Summe der durch ineinander greifende menschliche Zwecke und 
damit durch wechselseitiges Gewähren und Empfangen gestifteten Zu- 
sammenhänge. 
Dieser Gesellschaft gegenüber hat das Recht eine doppelte Funktion: 
Dienegative Funktion, für die in der Gesellschaft begriffenen 
Individuen und deren organisierte Verbände den Wirkungskreis ab- 
zugrenzen, innerhalb dessen sie, jeder zu seinem Teile, ihr Leben 
in Sicherung vor Aneriffen und Eingriffen anderer bethätigen können. 
Deun die anerkannte und gesicherte Existenz und Wirkungs- 
fähigkeit der Individuen ist die naturgegebene Voraussetzung des Be- 
eriffes und der Thatsache der Gesellschaft schlechthin. 
Die positive Funktion, den menschlichen Willensbestim- 
mungen, die auf ein Zusammenwirken behufs Erreichung sei es 
individueller, aber durch Gewährungen anderer bedinster, sei es gemein- 
schaftlicher Zwecke gerichtet sind, die ihrem Inhalte entsprechende 
Bindung zu verleihen. Denn nur in einem berechenbaren und 
gesicherten Zusammenwirken lälst sich menschliche Kultur auswirken. 
Unter beiden Gesichtspunkten hat das Recht nicht die inneren und 
natürlichen Bedingungen, nicht die unter moralischen, wirtschaftlichen, 
technischen Gesetzen stehenden Seiten der menschlichen Willenshand- 
lungen zum Gegenstande. Vielmehr hat dasselbe in durchaus ein- 
seitigen und in diesem Betracht formalen Bestimmungen nur die ge- 
sellsehaftlichen Wirkungen menschlicher Willenshandlungen zu 
dem ihm eigentümlichen Stoff, d. h. diejenigen Wirkungen der mensch- 
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