116 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
lichen Thätigkeit, welche durch ein entsprechendes Verhalten anderer
bedingt sind und ihrerseits ein solches bedingen. Damit ist das Recht
das System der Regeln, nach denen es sich bemilst, welche gesell-
schaftlich wirksame Willenshandlungen zulässig oder unzulässig sind
und welche gesellschaftliche Wirkungen an die Vornahme solcher
Willenshandlungen geknüpft sein sollen oder es nicht sein sollen.
Ohne die Anerkennung und Erkennbarkeit und damit ohne die Gemein-
eültiekeit solcher Regeln aber ist jede Berechenbarkeit und Planmäfsig-
keit der menschlichen Thätigkeit und damit jede sittliche Lebens-
führung in der Gesellschaft, ist die Gesellschaft selbst, als die not-
wendige Bedingung jeder physischen und geistigen Entwickelung des
Menschen, theoretisch undenkbar und praktisch unmöglich. Auf diese
Notwendigkeit stützt sich die theoretische Rechtfertigung und die
praktische Gestaltung der Grundkategorieen des Rechtes: Person, Eigen-
tum, Vertrag, Herrschaft.
Der Staat ist ausschlieflslich Gesellschaft. Während das
Individuum eine in sich gekehrte Seite aufweist, in deren Betracht das-
selbe lediglich auf sich selbst gestellt, gesellschaftslos ist und darum
schlechthin aufserhalb des Rechtes steht, ist der Staat notwendig und
seiner Natur nach, in allen seinen Erscheinungen und Prozessen —
Gesellschaft, wenn auch nur eine specifische Form derselben.
Weil er aber dies ist, darum ist das Recht die dem Staate
notwendige Erscheinungsweise.
Die Aussagen, dals er korporativer Verband sei, dafs er Herrschaft
übe, dals er Leistungen für die Gesellschaft zu seiner Aufgabe habe,
sind Aussagen, dals er gesellschaftliche Wirkungen ausübt, dafs er
seinen Organen gegenüber irgendwie von ihnen abgegrenzte Willens-
mächte, als seine relativ selbständigen Bestandteile anerkennt, dals er
unter diesen eine planmälsige Verbindung stiftet, dafs er den hierauf
gerichteten Willensbestimmungen bindende Kraft beimilst. Diese alle
aber — und sie machen das Wesen des Staates aus — sind ihrer
Natur nach rechtliche Aussagen; sie haben den Malsstab des Rechtes
zur Voraussetzung, bestünde er auch nur in der Weite despotischer
Ermächtigungen. Denn sie alle sind Aussagen über Bedingungen und
Formen, über Grenzen und Inhalt der gesellschaftlichen Wirkungskraft
menschlicher Willensbestimmungen.
Zweifellos kann auch der Staat in und mit seinen Organen Un-
recht thun. Er kann das Recht im einzelnen Falle durch einen Ge-
waltakt brechen, aber. immer nur genau so, wie seine Angehörigen
Verbrecher sind, die für sich selbst und im übrigen die Geltung der
Rechtsordnung als selbstverständlich und notwendig erachten. Der