Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

118 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
IV. Ist die Suveränetät nichts anderes als eine komparative Aus- 
sage über die Struktur, Funktion und Aufgabe, die dem Staate eignen, 
so hat sie damit auch nur Geltung und Bedeutung für seine innere 
Gestaltung. Anders gesagt: die Suveränetät ist ausschlief[slich 
ein staatsrechtlicher, sie ist kein 'völkerrechtlicher Begriff. 
Die sogenannte völkerrechtliche Suveränetät ist nur ein 
Ausdruck dafür, dals die staatsrechtliche Suveränetät eine doppelte 
Bedeutung für das Völkerrecht hat. 
‚Sie ist zunächst die Voraussetzung für die Rechtssubjektivität in 
der Völkerrechtsgemeinschaft. Nur ein suveräner Staat hat volle 
Rechtsfähigkeit im Völkerrecht. Denn die Suveränetät ist gerade die 
Eigenschaft des Staates, welche die gesellschaftlichen Elemente und 
Organisationsformen eines Volkes zur Einheit zusammenschliefst und 
damit das Recht des ersteren zur Vertretung der letzteren begründet. 
Alles Völkerrecht wurzelt aber in diesem Vertretungsrecht der Inter- 
essen eines Volkes nach aufsen gegenüber anderen in gleicher Weise 
Vertretungsberechtigten. 
Die „völkerrechtliche Suveränetät“ ist sodann die Bezeichnung 
dafür, dals jeder Staat für sich suverän ist, d. h. dafs er jede Su- 
veränetät eines anderen Staates über sich negiert. Sie ist positiv 
das Grundrecht der Gleichberechtigung der Staaten im Völker- 
recht. 
Weil denn aber die Suveränetät nur ein Merkmal der inneren 
Gestaltung eines Gemeinwesens ist, darum sind für ihre Bejahung oder 
ihre Verneinung die Beziehungen zu anderen Staaten nur dann ent- 
scheidend, wenn sie die innere Struktur, Funktion oder Zwecksetzung 
‘des Staates ergreifen. _ 
Vereinbar mit ihr sind daher nicht nur die allgemeinen rechtlichen 
Beschränkungen, welche die Rechtsordnung des Völkerrechtes schlecht- 
hin und notwendig für die Staaten in sich schliefst, die an der Kultur- 
gemeinschaft der Völker teilnehmen wollen und müssen, sondern auch 
die im Völkerrecht begründeten obligatorischen besonderen Bindungen, 
seien dieselben societätsmälsige oder andersartige. 
Vereinbar mit der Suveränetät sind selbst Herrschaftsver- 
hältnisse — Protektorate, Lehnsverhältnisse — und mit ihnen ins- 
besondere korporative Verbände unter den Staaten — Staatenbünde. 
Aber allerdings sie sind dies nur insofern und insoweit, als sie die 
inneren Verhältnisse zwischen der Staatsgewalt und den Unterthanen 
nicht ergreifen, sondern vielmehr den von aulsen beherrschten Staat 
im Vollbesitz aller Herrschaftsrechte und Aufgaben im innern Ver- 
hältnis zu seinen Angehörigen belassen und damit das eigene und
	        
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