$ 17. Die Verfassung. 119
ausschliefsliehe Recht desselben auf den Gehorsam seiner Unterthanen
nieht berühren®.
IV. Die Verfassung, die Regierung und die Verwaltung des
Staates!.
8 17.
Die Verfassung.
Die wissenschaftliche Erkenntnis jedes Organismus, als des leben-
dieen Zusammenwirkens verschiedener Elemente zu einer Gesamt-
leistung, wird gewonnen durch die unterscheidende Betrachtung seiner
Struktur, seiner Funktionen und seiner Leistung oder — in teleologischer
Auffassung — seines Zweckes. Sie bilden für das abstrahierende Denken
drei gesonderte, dem Organismus notwendige Erscheinungsweisen, aber
nur ihre lebendige Einheit ist die Realität seines Wesens.
Dasselbe eilt vom Staate.
Die Struktur des Staates ist seine Verfassung im systema-
tischen oder materiellen Sinne.
Die Funktionen oder die Thätigkeitsformen des Staates bil-
den seine Regierung, den Inbegriff der formellen Hoheitsrechte.
Die Leistungen oder Aufgaben des Staates, auf welche
sich alle Funktionen seines verfassungsmäfsigen Organismus richten,
ergeben die Verwaltung, den Inbeeriff der materiellen Hoheits-
rechte.
I. Die Verfassung, als die Struktur des Staates, ist die plan-
mälsige Zusammenfügung der Elemente, durch die er gebildet wird.
3 Die Leugnung der Möglichkeit solcher Herrschaftsverhältnisse unter
suveränen Staaten geschieht immer nur um den Preis der Alternative, ent-
weder dem Rechtsbestand dadurch Gewalt anzuthun, dafs man ihn sachwidrig
in obligatorische Vertragsverhältnisse umdeutet, oder dadurch, dafs man die logisch
vollkommen gerechtfertigte Terminologie, auch noch so verbundene Staaten
suverän zu nennen, nach individuellem dogmatischen Bedarf umgestaltet.
! Die nachfolgenden Erörterungen sind vorausgenommene Ergebnisse, die
ihre Bewahrheitung nur in der Gesamtdarstellung des Staatsrechtes finden
können. Bei der vollkommenen, Praxis und Wissenschaft beherrschenden
Zuchtlosigkeit und Willkür in den Begriffsbestimmungen und in der Termi-
nologie aller Haupterscheinungen des Staatslebens: „Verfassung“, „Gesetz“,
„Vollziehung“, „Verwaltung“, „Regierung“, mufs sich hier jeder Schriftsteller
den Weg auf eigene Faust bahnen. Eine kritische Erörterung der in der
vorliegenden Darstellung festgehaltenen Begriffsbestimmungen und Termino-
logieen s. bei Hänel, Studien, II. Teil, „Das Gesetz im formellen und materiellen
Sinne“, insbesondere 88 9. 14.