126 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
fachen. die leichten und regelmälsigen Formen der Gesetzgebung
genügen.
Grund und Absicht dieses Unterschiedes ist es aber allein, an die
Grundrichtungen des Staatslebens, die die „Verfassung“ vorzeichnet,
an die Grundsätze, die sie in allgemeinen Formulierungen aufstellt,
nicht nur die Vollziehung, sondern auch nicht minder die Gesetzgebung
selbst zu binden. Die Verfassung in diesem formellen Sinne, das
Verfassungsgesetz, verhält sich daher regulativ wie zur Vollziehung, so
zur einfachen Gesetzgebung.
b. Ja, eine gleichartige Gliederung kann sich auch entwickeln und
entwickelt sich überall innerhalb des Gebietes der einfachen Ge-
setzeebung. Auch hier tritt der Unterschied solcher rechtlichen
Regelungen hervor, welche eine grundsätzliche Bedeutung haben und
auf Dauer und Gemeingültigkeit berechnet sind, gegenüber solchen
Regelungen, welche nur specialisierende, lokalisierende und indivi-
dualisierende Bedeutung haben oder auf ein schnelles Eingreifen unter
aulserordentlichen Umständen berechnet sind. Diese letzteren werden
in näher bestimmtem Umfange den Organen der vollziehenden Gewalt
überwiesen. Sie bilden die gesetzvertretenden oder Rechts-
verordnungen°®. Und auch sie, obeleich sie gleichen Inhalt wie
die Gesetze haben, stehen in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse.
Denn sie können immer nur auf Grund und innerhalb der Grenzen
und in diesem Sinne in Ausführung von Gesetzen erlassen werden.
Allein trotz dieser Gliederungen der Gesetzgebung, die durch die
positivrechtlichen Erscheinungen der Verfassungsgesetze und der ge-
setzvertretenden Verordnungen hervorgerufen werden, bleibt der
Grundunterschied zwischen der Gesetzgebung und Vollziehung in
seiner vollen Bedeutung bestehen. Denn die Vollziehung kann niemals
Rechtssätze erzeugen. Sie kann immer nur auf Grund und nach
Malsgabe und damit in Ausführung der regulativen Willensbestimmungen,
die, soviel den Staat betrifft, durch dessen Verfassungsgesetze, einfache
Gesetze und gesetzvertretende Verordnungen erzeugt werden, ihre
Funktionen wahrnehmen.
3 Sie sind zu unterscheiden von solchen rechtlichen Regelungen, welche
dem Monarchen in denjenigen Verfassungen vorbehalten sind, die nur einzelne
bestimmte Gegenstände der konstitutionellen Gesetzgebung unterstellen. Hier
sind die aufserhalb des Kreises der konstitutionellen Gesetzgebung, ohne
Mitwirkung der Volksvertretung erlassenen rechtsregelnden „Verordnungen“
nicht „gesetzvertretende“ Verordnungen, sondern Gesetze schlechthin, die mit
den konstitutionellen Gesetzen vollkommen gleichwertig sind, in keinem Ab-
hängigkeitsverhältnis zu denselben stehen.