134 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
den Bereich desselben grundsätzliche, materielle und formelle Be-
stimmungen getroffen, welche den Malsstab für das Verhalten des
Staates zu den darin einbegriffenen Verbindungsweisen bilden. Hinter
diesen allgemeineren Malsstab treten die Unterschiede zurück, die
durch die besondere Natur des korporativen Verbandes, der Familie,
der Rechtsverhältnisse der freien Anpassung bedingt sind, wenn sie
auch selbstverständlich innerhalb des Privatrechtes ihre Bedeutung
behaupten.
Das Grundverhältnis des Staates zu der bürgerlichen Gesellschaft.
findet daher seine oberste rechtliche Bestimmung durch das Verhalten
des Staates gegenüber dem Vereinswesen und dem Privatrecht.
I. Der Staat und das Vereinswesen!.
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Die Gliederung des Vereinswesens.
In der historischen Entwicklung hat sich das Grundverhältnis des
Staates zu dem Vereinswesen durchaus verschieden gestaltet. Allerdings
nirgends und zu keiner Zeit konnte es der Staat bewirken, das Vereins-
wesen schlechthin zu unterdrücken und durch seine Organisationen
zu ersetzen. Die Anerkennung des Vereinswesens für privatwirtschaft-
liche Zwecke, die Notwendigkeit, einzelne korporative Verbände
gentilicischer oder kommunaler Art dem Staat an- und einzugliedern,
hat zu allen Zeiten und in allen Staatsformen bestanden. Aber über
diese engsten Grenzen hinaus treten sich die zwei Auffassungen gegen-
über, deren eine die grundsätzliche Zurückdrängung, deren andere die
umfassende Förderung des Vereinswesens durch den Staat fordert —
selbstverständlich dergestalt, dafs zwischen beiden Gegensätzen die
mannigfachsten, vermittelnden Zwischenstufen sich ausbilden.
Im modernen Staat europäischer Civilisation ist überall in aus-
drücklichen Verfassungsbestimmungen oder in stillschweigender Zu-
lassung, unter Versuchen abschwächender Einschränkungen oder in
reiner Durchführung die Grundauffassung zum Durchbruch gekommen,
dafs das Vereinswesen ein notwendiges Element für die Kultur-
entwicklung jedes Volkes bilde, dals es dem Staate mit einer eigen-
tümlichen und durch nichts zu ersetzenden Leistungskraft zur Seite
trete, dafs nicht nur die Anerkennung der Freiheit, sondern sachgemälse
Förderung des Vereinswesens Aufgabe des Staates sei, ja dals derselbe
! L. Stein, Die vollziehende Gewalt, 3. Teil. Das System des Vereins-
wesens. 2. Aufl. 1869 und Handbuch der Verwaltungslehre, 3. Aufl., I 61 ff.