Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

140 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
für Einhaltung ihrer Kompetenzgrenzen, sondern dafür verantwortlich, 
dafs die Gemeinzwecke, um deren willen sie gebildet sind, mittels 
ihrer selbständigen Verwaltungsrechte verwirklicht werden. Die aus 
diesem Pflichts- und Verantwortlichkeitsverhältnisse entspringenden be- 
sonderen Rechte des Staates bilden die Aufsicht im specifischen 
Sinne. | 
Im einzelnen befalst dieselbe Befugnisse vierfacher Art: 
Das Recht der Negative, geübt in der Forın der Bestätigung 
oder des Einspruches, um Beschlüsse und Malsregeln zu verhindern, 
welche den Gesetzen und Statuten zuwiderlaufen, auch dann, wenn 
es sich nicht blofs um Fragen der Kompetenz handelt. 
Das Recht des positiven Zwanges zu der den Gesetzen und 
Statuten entsprechenden Thätigkeit, geübt insbesondere in den Formen 
der Etatforeierung, des diseiplinaren Ordnungsstrafrechtes gegen die kor- 
porativen Organe, des Handelns an Stelle der letzteren oder der Be- 
setzung der Organe ad hoc. 
«+ Das Recht der Einflufsnahme auf das leitende Personal 
durch Besetzungs- und Bestätigungsrechte. 
Das Recht endlich der Genehmigung von Beschlüssen und 
Malsregeln nach freier Erwägung des Notwendigen und Nützlichen. 
Diese einzelnen Befugnisse sind jede für sich der Abschwächung 
und Verstärkung fähig; sie können alle zusammen oder in verschiedenen 
Kombinationen der einzelnen Arten vorhanden sein. Sie werden ver- 
schiedenartie gestaltet und kombiniert, je nach der besönderen Natur 
der verschiedenen Selbstverwaltungskörper, nach ihrer wesentlicheren 
oder zufälligeren Bedeutung für die Organisation und Fünktion des 
Staates®. Insbesondere aber entscheidet über ihre Art und ihren 
Umfang die verschiedene Auffassung des positiven Rechtes über das 
zulässige Mafs der Freiheit der Selbstverwaltung, welche in dem Unter- 
schiede des eigenen und übertragenen Wirkungskreises und in der 
Abgrenzung beider ihren deutlichsten Ausdruck findet. 
Durch diese in dem Begriffe des Aufsichtsrechtes zusammen- 
gefalsten Befugnisse wird es bewirkt, dafs Staat und Selbstverwaltungs- 
  
3 Kann es doch geschehen — die Reichsbank und einzelne öffentliche 
Versicherungsanstalten bilden hierfür das Paradigma —, dafs sich die Auf- 
sichtsrechte des Staates soweit verdichten, um die Besetzung aller oder doch 
der Hauptorgane des korporativen Verbandes durch Staatsbeamte herbei- 
zuführen. Dann freilich erschöpft sich die Bedeutung des korporativen Ver- 
bandes in der rechtlichen Konstituierung eines Öffentlichen Zwecken dienen- 
den, doch aber vom Staate getrennten Vermögenskomplexes, und der Begriff 
der Selbstverwaltung wird bis nahe an seinen Nullpunkt herabgedrückt.
	        
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