Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 22. Die korporative Selbstverwaltung. 141 
körper in ihrer Thätigkeit aufeinander angewiesen sind und sich gegen- 
seitig bedingen. Die Gemeinzwecke, um deren willen die letzteren 
gebildet werden, sind zugleich Aufgaben der Staatsverwaltung. Die 
selbständige korporative Organisation der Selbstverwaltungskörper er- 
scheint zugleich als ein der Organisation des Staates an- und einge- 
fügtes Glied. Das Rechtsverhältnis beider ist die recht- 
liche Ordnung der verschiedenartigen Teilnahmerechte, 
welche jedem von ihnen an der Gesamtthätigkeit, die 
der zutreffende Verwaltungszweig fordert, zugeschrie- 
ben werden. Dem Staate gebührt nach Recht und Pflicht Über- 
wachung und Sicherstellung der Verwaltungsaufgaben, den Selbstver- 
waltungskörpern deren Verwirklichung. Dem Staate steht auf dem 
Kompetenzgebiete der Selbstverwaltung, eine nur mittelbare, den 
Selbstverwaltungskörpern die „unmittelbare und eigene“ Verwaltung zu. 
II. Mit der Thatsache der verschiedenen Gestaltung des Aufsichts- 
rechtes, die das positive Recht aufweist, ist es gegeben, dafs die all- 
gemeine Charakteristik des Wesens der Selbstverwaltung kein 
Schema bildet, welches unmittelbar auf die einzelnen, 
konkreten Selbstverwaltungskörper Anwendung leidet. 
Im Wesen der Selbstverwaltung vielmehr, in seiner individualisieren- 
den und lokalisierenden Tendenz ist es begründet, dafs innerhalb des 
allgemeinen Rahmens specifische Erscheinungen sich sondern und 
abheben. Je nach der Verschiedenartigkeit der Gemeinzwecke, je nach 
der Dringlichkeit derselben für die einzelnen Beteiligten, je nach ihrer 
Bedeutung für die Gesamtwirksamkeit des Staates gliedern sich die 
einzelnen Arten der Selbstverwaltungskörper und gewinnen sie eine 
eigenartige Rechtsstellung im Staate. Und zwar sind es drei Arten, die 
sich charakteristisch voneinander unterscheiden: die absoluten 
Zwangsverbände, die relativen Zwangsverbände und die zwar freien 
aber öffentlich regulierten korporativen Verbände. 
1. Absolute Zwangsverbände sind diejenigen korporativen 
Verbände, deren Existenz und Wirksamkeit bei dem Zutreffen der 
thatsächlichen Voraussetzungen dergestalt als notwendige Voraussetzung 
der Staatsfunktionen angesehen werden, dafs weder ihre Bildung über- 
haupt noch die Frage, wer denselben angehört, dem Belieben der 
Beteiligten anheimgegeben ist. 
a. Unter ihnen treten an erster Stelle die Gemeinden in lokal 
beschränkterer oder umfassenderer Bildung hervor. Das, was ihren 
speeifischen Gehalt ausmacht, ist die Bestimmung für solehe Gemein- 
zwecke, welche ihren Inhalt oder doch ihre wesentliche Richtung durch 
die Thatsache des nachbarlichen, räumlichen Zusammenwohnens ge-
	        
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