1423 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
winnen. Und zwar sind es wesentlich zwei Richtungen, in denen sich
ihre Thätiekeit entfaltet. Auf der einen Seite sind es solche Ord-
nungen und Veranstaltungen, welche aus der Notwendigkeit gemein-
schaftlicher Benutzung der Erdoberfläche entspringen: das Ansiedelungs-
und Bauwesen, das öffentliche Wege-, Platz- und Marktwesen, die
Feld- und Flurordnung. Auf der anderen Seite sind es solche Bedürf-
nisbefriedigungen, die nur in örtlich individualisierten, gemeinwirtschaft-
lichen Veranstaltungen durchgeführt werden können: Armen- und Ge-
sundheitswesen, Wasserversorgung und Beleuchtung, kommunale Kredit-
und Versicherungsanstalten.
Aus der Natur dieser Aufgaben, welche fundamentale Bedingungen
des kulturmäfsigen Zusammenlebens befassen, flielst die dreifache
Eigentümlichkeit, welche die Gemeinde vor allen übrigen Selbstver-
waltungskörpern auszeichnet:
Die thatsächlichen Voraussetzungen, welche die Notwendigkeit
ihrer Bildung begründen, treffen für jedermann schlechthin zu. Daher
der Grundsatz: jeder Staatsangehörige und jedes Grund-
stück mufs einem Gemeindeverband angehören.
Die Gemeinde bildet sich nicht über einzelnen, scharf heraus-
gehobenen Zwecken, sondern es ist ein der mannigfachsten und wech-
selnden Ausdehnung fähiger und bedürftiger Komplex von Aufgaben,
die sich an die Thatsache nachbarlichen Zusammenwohnens knüpfen.
Eine relative Allgemeinheit des Zweckes liegt in ihrer
Natur.
Die korporative Herrschaft der Gemeinde ergreift alle diejenigen,
bei welchen die Thatsache des Verweilens auf einem bestimmten ört-
lichen Gebiete zutrifft, gleichgültig, ob sie im übrigen als Mitglieder
im eigentlichen Sinne qualifiziert sind oder nicht. Das Gebiet hat für
sie nicht allein die Bedeutung, die es sonst überall nur besitzt, den
örtlichen Sitz der Thbätiekeit und die örtliche Abgrenzung und Glie-
derung der durch einen sonstigen Gemeinzweck verbundenen Genossen
zu bezeichnen, sondern es ist die zur Begründung der korporativen
Herrschaft über die auf ihm Weilenden an sich und schlechthin zu-
reichende Thatsache. Die Gemeinde ist, wie nur noch der Staat,
Gebietskörperschaft im strengen Wortsinn. —
b. Den Gemeinden treten die Specialzwangsverbände zur
Seite, welche für einen vereinzelten Verwaltungszweck unter den
hieran Beteiligten von Staats wegen kraft gesetzlicher Vorschrift oder
Ermächtigung gebildet und mit Beitrittszwang ausgestattet werden. Sie
versehen teils einzelne Funktionen, die in der historischen Entwickelung
aus dem regelmälsigen Umfang der Gemeindeverwaltung herausgesprengt