Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 22. Die korporative Selbstverwaltung. 143 
sind, wie die Wege-, Armen-, Schulverbände, teils sind es specifische 
Aufgaben, die sie in reicher Fülle und nach Land und Ort verschieden 
gestaltet erfüllen. So die Deichverbände, die absolute Zwangs- 
verbände wenigstens behufs Abwendung gemeiner Gefahr sind, die 
öffentlichen, mit Beitrittszwang ausgestatteten Immobiliar-Feuer- 
versicherungsanstalten, die älteren landschaftlichen 
Kreditanstalten, die Fischereigenossenschaften insbeson- 
dere des preulsischen Rechtes, die Berufsgenossenschaften der 
Unfallversicherung, die Versicherungsanstalten der Invaliditäts- 
und Altersversicherung, die Orts-, Betriebs-, Baukranken- 
kassen nach Malfsgabe der Reichsgesetze, die Knappschaftsvereine. 
2. Relative Zwangsverbände sind solche Körperschaften, 
bei denen ein Zwang zur Errichtung und zum Beitritt. erst dann ein- 
tritt, wenn sich der zu erreichende Zweck als stark und verbreitet 
genug erweist, um die Zustimmung einer Majorität zu gewinnen, die 
sich entweder nach Kopfzahl oder nach einer irgendwie bestimniten 
Anteilserölse oder nach einer Kombination beider. bemifst. Hier bricht 
der Staat allerdings bei der ersten Bildung nur den Widerstand der 
Minorität, aber nach erfoleter Bildung hält er regelmälsig auch die 
Majorität fest, d. h. eine Auflösung ist ohne seine Zustimmung auch 
durch die Majorität nicht mehr zulässig. Hierhin gehören des Bei- 
spiels halber die Ent- und Bewässerungsgenossenschaften, 
bei denen ein Landeskulturinteresse obwaltet, nach dem preulsischen 
Gesetz vom 1. April 1879, die Waldgenossenschaften des 
preulsischen Schutzwaldungsgesetzes vom 6. Juli 1875, die Deich- 
verbände des neueren preufsischen Rechtes (Gesetz vom 11. April 
1872), insofern sie nicht der Abwendung gemeiner Gefahr, sondern 
Landeskulturzwecken dienen. 
3. An letzter Stelle treten die öffentlich regulierten 
Verbände als eine weit verbreitete Erscheinung auf. 
Sie fallen einerseits dem freien Vereinswesen insofern anheim, 
als weder die Notwendigkeit ihrer Bildung überhaupt noch ein Bei- 
trittszwang im Gesetze begründet ist. Nur schliefst die Anerkennung 
ihrer Freiheit nicht notwendig den Aufnahmezwang, d. h. das Recht 
der Interessenten auf Beitritt, noch das Verbot willkürlichen Aus- 
trittes und willkürlicher Auflösung, noch die indirekte Nötigung zum 
Beitritt durch die Erteilung besonderer Rechtsvergünstigungen an den 
Verband aus. 
Auf der andern Seite treten sie in das Gebiet der Selbstver- 
waltung dadurch ein, dafs, wenn sie nach freier Entschlielsung der 
Beteiligten einmal gebildet sind, sie alsdann solchen Aufsichtsrechten
	        
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