Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

8 23. Das freie Vereinswesen. 147 
Versammlung. Sie ist ihrem Grundcharakter nach korporativ 
überall da, wo es sich nicht blofs um eine planlose Ansammlung 
oder um eine blols passive Assistenz ınehrerer bei Leistungen Dritter 
handelt. Denn wo eine Versammlung im engeren Sinne vor- 
handen ist, da gliedern sich die Beteiligten nach Organen und Mit- 
gliedern; um durch leitende Funktionen der einen und mitwirkendes 
Verhalten der andern einen gesetzten Zweck zu erreichen. Aber 
allerdings sie ist nur ein korporativer Augenblicksverband. 
Die Rechte und Pflichten der Organe und Mitglieder untereinander 
erschöpfen sich in flüchtigen Beziehungen zur Herstellung einer äulsern 
Ordnung. Ihre Verletzungen sind der Natur der Sache nach und 
recelmälsig nicht dazu angethan, um eine Wiederherstellung des 
Rechtes oder auch nur eine rechtliche Ausgleichung zu ermöglichen. 
Ist überhaupt Anlafs und Bedürfnis zum staatlichen Rechtsschutz vor- 
handen, so kann er regelmäfsie, und wenn nicht besondere Thatum- 
stände vorliegen, nur im Wege des Strafrechtes oder polizeilicher Mals- 
reseln gewährt werden. Und so liegt hier die Eigentümlichkeit vor, 
dals ein seinem innern Wesen nach privatrechtliches Verhältnis nur 
insofern Rechtsschutz findet, als seine Verletzung zugleich den That- 
bestand einer Verletzung der öffentlichen Rechtsordnung darstellt. 
I. Allen den verschiedenen Gliederungen und allen den ver- 
schiedenen Rechtsformen gegenüber, in welchen sich das freie Vereins- 
wesen bethätigt, nimmt der Staat eine doppelte Stellung ein. 
1. Das freie Vereinswesen ist zunächst und seinem innern Wesen 
nach ein Thatbestand des Privatrechts. Der Staat hat ihm 
gegenüber die nämlichen Aufgaben in Recht und Pflicht zu erfüllen, 
die ihn in jedem andern Teile des Privatrechtes treffen. Ihm steht 
zu die objektive Normierung der verschiedenen Vereinsformen, die 
Regelung der Privatrechte und Privatpflichten, die sich innerhalb der 
gesetzlich anerkannten Vereinsformen unter den Beteiligten und gegen- 
über Dritten entwickeln, ihm liegt der Rechtsschutz im Wege des 
Civilprozesses und Strafrechtes ob, er sorgt für Klarstellung und 
Sicherung der entstehenden Privatrechtsverhältnisse, wie diesinsbesondere 
durch Vorschriften über Eintragungen in die Gesellschaftsreeister, über 
Legitimation der Vorstände im Rechtsverkehr mit Dritten, über Be- 
kanntmachungen und öffentliche Rechenschaftsberichte geschieht. 
2. Aber das freie Vereinswesen ist zugleich und notwendig ein 
Thatbestand des öffentlichen Rechtes. Auch da, wo die 
Vereinsfreiheit grundsätzliche Anerkennung gefunden hat, ist der 
Staat überall genötigt, sich in ein besonderes Verhältnis zu den Vereinen 
zu setzen. Es geschieht dies nicht allein unter dem Gesichtspunkte, 
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