148 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
dals die über die Vereinzelung hinaus verstärkte Kraft: besonderen
Gegengewichts bedarf, um der allgemeinen Rechtsordnung mit Sicher-
heit eingefügt werden zu können, sondern insbesondere auch unter
dem andern Gesichtspunkte, dafs das freie Vereinswesen auf allen
Kulturgebieten seine Einwirkung ausübt, auf denen der Staat selbst
sich seine Aufgaben setzt. Die Regelung der besondern Rechte und
Pflichten, die hieraus dem Staate entstehen, bildet das öffentliche
Vereinsrecht.
a. Dasselbe hat an erster Stelle die Gebiete und die Bedingungen
zu bezeichnen, auf welchen und unter welchen das Recht der Vereins-
bildung sich zu bewegen hat. Es kann dies dergestalt geschehen,
dals die Gesetze diejenigen Zwecke und diejenigen Formen feststellen,
für welche das Recht der Vereinsbildung zugelassen ist; hier ist jede
andere Vereinsbildung entweder schlechthin verboten oder doch an
Genehmigungen von Fall zu Fall gebunden. Oder aber die Gesetz-
gebung bezeichnet lediglich die rechtlichen Grenzen und die
Beschränkungen dergestält, dafs innerhalb derselben jede Art der
Vereinsbildung ohne besondere Ermächtigung als berechtigt aner-
kannt ist.
Dem Grundsatze der Vereinsfreiheit entspricht nur die
letztere Art der Regelung.
Selbstverständlich fällt unter die Beschränkungen der Vereins-
freiheit nicht das Verbot, dafs kein Verein Zwecke verfolgen darf,
die den allgemeinen Verbots- und Strafgesetzen zuwiderlaufen. Denn
der Verein — hier überall genommen einschliefslich der Versamm-
lungen — kann das nicht erlaubt machen, was dem Einzelnen ver-
boten ist. Begrenzungen und Beschränkungen treten erst dann ein,
wenn es die Form des Vereins ist, welche zu besonderen Vorschriften
den Anlals giebt. Und diese bewegen sich nach Maisgabe des posi-
tiven Rechtes in folgenden Richtungen.
Teils wird die. ‘Verfolgung von Zwecken, die Bethätigung von
Tendenzen entweder unmittelbar durch das Gesetz oder mittels Er-
mächtigung der Behörden verboten, die zwar für den Einzelnen
unter kein Verbotsgesetz fallen, die aber im Vereinsbetriebe der Voraus-
setzung nach den Thatbestand einer Gemeingefahr bilden. So das er-
loschene deutsche Soecialistengesetz und die weiten Klauseln des
bayerischen, des sächsischen und badischen Vereinsgesetzes!.
Teils werden Vereine auch zu erlaubten Zwecken verboten oder
1 Bayerisches Gesetz vom 26. Februar 1850 a. 19. Sächsisches Gesetz
vom 22. November 1850 $ 20. Badisches Gesetz vom 21. November 1867 $ 4.