$ 24. Die kirchlichen Verbände. 151
Mit dem Christentum ist die Anschauung zur Geltung gekommen,
dafs die wesentlichen Funktionen, welche sich aus der Gemeinschaft
religiöser Überzeugungen entwickeln: die Feststellung und Lehre der
Dogmen, die Gottesverehrung und Seelsorge, ein Gebiet bezeichnen,
welches seinem Wesen nach aulserhalb der Aufgaben des Staates liegt.
Das äulsere Zeichen hierfür war die Begründung eines von dem Staate
verschiedenen korporativen Verbandes, der Kirche. Die Selbständig-
keit desselben war anerkannt auch zu den Zeiten, wo die Macht des
römisch - byzantinischen und des römisch - deutschen Kaisertumes, wie
später die Auffassung des territorialen Polizeistaates, dem Oberhaupte
des Staates und seinen Organen die weitgreifendsten Rechte über die
Kirche verschaffte. Und umgekehrt ward die Selbständigkeit des
Staates auch dann nicht geleugnet, als der Papst die Oberherrschaft
über alle christlichen Staaten beanspruchte. Auch der Cäsaropapismus
in der einen oder anderen Gestalt war nur der Versuch, durch ein
Vorherrschaftsverhältnis ein einheitliches Band zwischen an sich wesens-
verschiedenen Gemeinschaften aufrecht zu erhalten.
Dieser Versuch mulste scheitern, als der Gedanke der Religions-
freiheit zum Durchbruch kam, als derselbe zuerst in der Reformation
zu einer historisch bestimmten Mehrzahl christlicher Kirchen und end-
lich zu einer auf das Gewissen der einzelnen gestellten, unbestimmten
Anzahl von Religionsgenossenschaften führte.
Damit wurde in Deutschland von seiten des Staates definitiv
der Gedanke aufgegeben, die kirchlichen Verbände zu ihm in das
nämliche Verhältnis zu setzen, wie die Selbstverwaltungskörper. Er
kann es nicht unternehmen, die religiösen Dogmen, die Handhabung
der Seelsorge, die Formen der Gottesverehrung gesetzlich festzustellen
und nur die unmittelbare vollziehende Verwaltung als eigenes oder
übertragenes Recht den religiösen Verbänden zuzuerkennen.
Damit traten unter einem gewissen Gesichtspunkte die religiösen
Vereinigungen in das Gebiet des freien Vereinswesens ein. Allein
auch der Anwendung der gemeingültigen Regeln, welche das Verhält-
nis des Staates zu dem freien Vereinswesen bezeichnen, stellten sich
an drei Punkten, die sich aus der Natur der kirchlichen Verbände
entwickelten, entscheidende Hindernisse entgegen.
1. Wenn der Staat allen freien Vereinsformen gegenüber das
Recht in Anspruch nimmt, die Anforderungen an ihre innere Organi-
sation, die typischen Rechtsgestaltungen als Bedingungen festzustellen,
unter welchen sie Bestandteile der allgemeinen Rechtsordnung bilden
und die Anerkennung ihrer rechtlichen Wirksamkeit finden, so setzt
sich dem der Anspruch der Kirchen entgegen. Es ist zweifellos, dals