S 25. Öffentliches Recht und Privatrecht. 153
ihr Gebiet gegen das seinige abzugrenzen und zu behaupten, um sie
seiner Rechtsordnung einzufügen. Ja weiterhin sind diese Rechte nicht
einer gemeingültigen Feststellung für alle Kirchen fähig. Sie müssen
sich notwendig verschieden gestalten gegenüber der katholischen Kirche
und gegenüber den protestantischen Kirchen — dort eine die Staats-
grenzen überschreitende universelle Organisation, von der immer nur
ein Bruchteil in das Herrschaftsgebiet des einzelnen Staates fällt, hier
eine territorial beschränkte Organisation, die überdies die einzig ge-
artete Personalunion zwischen Kircehen- und Staatsreeiment ent-
wickelt hat.
Allerdings diese historische Entwicklung hat nur die erolsen
Bildungen der christlichen Kirchen ergriffen. Daneben bestehen und
entstehen religiöse Gemeinschaften, welche nach der Art ihrer Ent-
stehung oder nach ihren Grundanschauungen die besondere Rechts-
stellung jener Kirchen entweder nicht in Anspruch nahmen oder nicht
errungen haben. Auf der einen Seite sind ihnen die Rechte er-
weiterter Autonomie, innerer Jurisdiktion und jeder besondere Einflufs
auf die Staats- und Rechtsordnung versagt. Auf der anderen Seite
sind sie besonderen Rechten des Staates nicht unterworfen. Sie allein
— die „Religionsgesellschaften“ in diesem speeifischen Sinne — fallen
dem Gebiete des freien Vereinswesens anheim.
II. Der Staat und das Privatrecht!.
A. Öffentliches Recht und Privatrecht.
g 25.
I. Das öffentliche Recht bezeichnet die Gesamtheit der
rechtlichen Regelungen, welche die durch die Organisation und durch
die Thätigkeit des Staates bedingten gesellschaftlichen Verhältnisse
zum Gegenstand haben. Dasselbe enthält teils das Völkerrecht,
als die rechtliche Ordnung der Beziehungen, in welchen die einzelnen
Staaten als einheitlich zusammengefalste Organisationen untereinander
stehen, und teils das Staatsrecht, welches die innerhalb des Staates
und durch denselben cestalteten Lebensverhältnisse regelt.
1 Leuthold, Öffentliches Interesse und öffentliche Klage im Verwal-
tungsrecht, — Hirth, Annalen 1884 S. 321f. Rehm, Die rechtliche Natur
des Staatsdienstes, — Hirt, Annalen 1885 S.89 ff. Neumann, Das öffentliche
Interesse, — Hirth, Annalen 1886 S. 407 ff. Thon, Rechtsnorm 1878 S. 108 ff.
Bierling, Kritik der juristischen Grundbegriffe, 1883, II 150 ff. Wach,
Handbuch d. deutsch. Civilprozefsrechtes I$ 8. Merkel, Juristische Eney-
klopädie $$ S4ff., SS 191 ff.