Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

8 28. Öffentliches Recht und Privatrecht. 155 
gesetzt und darum ihrer Natur nach öffentlichrechtliche sind. Aber 
dieselben können nicht nur Voraussetzung und Anlafs zur Entstehung 
selbständiger Privatrechtsverhältnisse bilden — wie z. B. die privat- 
rechtliche Haftung für Handlungen in Amtsstellung — sondern sie 
können auch in ihrem einheitlichen Bestand zugleich privatrechtlich 
bestimmt sein — wie z. B. positivrechtlich das Beamtenverhältnis von 
der Seite seiner wirtschaftlichen Ausstattung. Zweifellos steht diesen 
ersten die breite Masse der anderen Lebensverhältnisse zur Seite, die 
entweder der Natur der Sache oder doch der herrschenden Auffassung 
nach nur auf die freien, vom Staate unabhängigen Willensbestimmungen 
der Beteiligten gestellt, nur durch diese geschaflen und erfüllt werden 
können. Sie sind notwendig privatrechtlich bestimmt. Aber sie 
sind es trotzdem nicht ausschlie[slich. Und auch dies nicht blofs 
in dem Sinne, dals Privatrechtsverhältnisse Anlafs und Voraussetzung 
für selbständige öffentliche Rechtsverhältnisse bilden, wie z. B. Grund- 
eisentum oder sonstiges Vermögen für Steuerpflichten oder politische 
Stimmrechte. Vielinehr liegt es wiederum in der höchsten, alle ge- 
sellschaftlichen Erscheinungen in sich beschliefsenden und zusammen- 
fassenden Stellung des Staates begründet, dafs auch einheitliche, ihrer 
Natur nach privatrechtlich bestimmte Thatbestände in irgend einem 
Zusammenhang mit ihm stehen, dals dieselben überall eine Seite auf- 
weisen, von der sie zugleich der öffentlichrechtlichen Regelung zu- 
gänglich, bedürftig und im energisch entwickelten Staatsleben auch 
teilhaftig sind. Die gesellschaftlichen Grundverhältnisse : die Behauptung 
der Person als solcher, das Eigentum, der wirtschaftliche Verkehr, die 
Familienverhältnisse, die Associationen und korporativen Verbände 
stellen Thatbestände dar, deren rechtliche Gestaltung sowohl durch 
das öffentliche als durch das Privatrecht erfolgt. Es giebt ein öffent- 
liches Personen-, Eigentums-, Verkehrs-, Familien-°, Vereinsrecht, wie 
ein privatrechtliches. Das Strafrecht insbesondere weist es auf, dals 
es auch nicht die geringfügigste Geschäftsobligation giebt, deren That- 
8 Es ist durchaus unrichtig, das Familienrecht als rein privatrechtlicher 
Natur zu qualifizieren. Sarwey, Öffentliches Recht $. 295. Gewils im Ver- 
hältnis der Ehe- und Blutsgemeinschaft können nur Individuen stehen und 
niemals der Staat oder eine Korporation überhaupt (in ihren Organen als 
solchen). Allein dies ergiebt nur, dafs das Familienrecht notwendig privat- 
rechtlich und niemals ausschliefslich öffentlichrechtlich bestimmt ist. Da- 
gegen ist überall der durch die Ehe- und Blutsgemeinschaft unter Privaten 
gestiftete Thatbestand zugleich der öffentlichrechtlichen Regelung unterworfen: 
die von Staats wegen geltend zu machenden Ehenichtigkeiten, die Zwangs« 
erziehung der Kinder, die Vormundschaft, von den einschlagenden strafrecht» 
lichen Bestimmungen zu schweigen.
	        
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