Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

158 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
2. Das öffentliche und das Privatrecht können aber auch in dem 
nämlichen Thatbestand dergestalt zusammentreffen, dals das that- 
sächliche Verhältnis unter den Privaten, das in Anwendung des Privat- 
rechtes allein sich in einem bestimmten Vorteil des einen und in einer 
entsprechenden Belastung des andern ausdrücken würde, dadurch 
alteriert wird. So bewirken es die im öffentlichen Interesse aufgelegten 
Beschränkungen des Grundeigentums oder des Wassergebrauches viel- 
fach, dafs die kraft Privatrechtes dem einen gegenüber dem andern 
Privaten zustehenden Nutzungen und Verfügungen nicht verwirklicht 
werden können. Auch hier kann man im strengen Sinn nicht sagen, 
dafs eine Änderung des Privatrechts durch das öffentliche Recht bewirkt 
wird; denn dem Privaten gegenüber bleibt dem Berechtigten sein 
Privatrecht vollkommen ungeschmälert; nur eine Pflicht gegenüber 
dem Staate hemmt die praktische Wirkung desselben. Der Private 
kann sich daher gegenüber dem öffentlichrechtlich Gebundenen keines 
eigenen Rechtes berühmen und keiner eigenen Pflicht entschlagen; 
eine Änderung der öffentlichen Norm, etwa einer lokalen Polizeiver- 
ordnung, oder der thatsächlichen Umstände, welche sie anwendbar 
machen, kann das Privatrecht wiederum zur vollen Geltung gelangen 
lassen ; ja es ist im konkreten Falle durchaus möglich, dafs eine Fest- 
stellungsklage gegenüber demjenigen begründet ist, der eine solche 
öffentlichrechtliche, zu seinem Vorteil wirkende Beschränkung eines 
andern als sein Privatrecht behaupten wollte. 
3. Endlich kann auch das Verhältnis einer wahren Kollision 
Platz greifen, wenn es Inhalt und Absicht des Öffentlichen Rechtes ist, 
das Privatrecht selbst, d. h. die Rechte des Privaten an dem von ihm 
ergriffenen Thatbestand auch im Verhältnis zu andern Privaten zu 
ändern. Das findet überall da statt, wo die Ordnung eines Ver- 
hältnisses dadurch bewirkt wird, dafs das öffentliche Recht ein Opfer 
der im objektiven Privatrecht begründeten Rechte herbeiführt. So 
bei jeder Steuerzahlung, so bei jeder Expropriation, so bei Rechtsver- 
wirkungen, so bei Substanzvernichtungen (Tötung kranken oder ver- 
dächtigen Viehes), so bei denjenigen Öffentlichen Regulierungen der 
Wasser- und Waldverhältnisse, bei denen kreuzende Privatrechte auf- 
gehoben oder modifiziert werden. 
Mag nun aber eine rechtliche Änderung oder mag nur eine that- 
sächliche Hemmung des Privatrechtes durch das öffentliche Recht 
stattfinden, in allen Fällen folgt es aus der Rechtsstellung des Staates, 
dafs das Privatrecht dem öffentlichen Recht zu weichen hat. Daher 
bildet das Privatrecht keine Grenze für das öffentliche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.