Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

S 25. Öffentliches Recht und Privatrecht. 167 
Unterschied zwischen Privat- und öffentlichem Recht aus der Ver- 
zichtbarkeit oder Unverzichtbarkeit der subjektiven Rechte 
gewinnen zu wollen; wenigstens „in der Regel“ die erstere Eigen- 
schaft dem Privatrechte, die letztere dem Öffentlichen Rechte zu vindi- 
zieren; insbesondere den Satz zu formulieren, dals die Ausübung 
öffentlicher Rechte regelmälsig Pflicht sei!!. Keinerlei Regel solcher 
Art läfst sich aufstellen. Das Privatrecht bietet in ihm wesentlichen 
Bestandteilen — in dem Rechte der Familie, der Privatkorporationen 
— genau in dem nämlichen Sinne unverzichtbare Rechte wie das 
öffentliche Recht. Und umgekehrt gewährt das öffentliche Recht in 
breiter Masse Berechtigungen, über deren Ausübung oder Nichtaus- 
übung nach dem Ermessen des individuellen Interesses genau so dis- 
poniert wird, wie über Privatrechte; so im Civilprozels, so die Rechts- 
gewährungen der Verkehrsmittel, der Unterrichtsanstalten. 
3. Endlich gewährt aber auch die Verteilung der verschiedenen 
Rechtsschutzmittel!? keine endeültige Entscheidung über die 
Natur des im Streit befangenen Rechtes. -Allerdings beruht die 
Scheidung zwischen dem Rechtswege, in dem engeren, vom Straf- 
prozefs absehenden Sinne der Gewährung des Civilprozesses, und 
zwischen dem Verwaltungs- (Beschwerde- oder Verwaltungsgerichts-) 
wege dem Grundsatze nach auf der Scheidung zwischen Privat- 
11 Z, B. Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht (6. Aufl.) S. 3. Gerber, 
Öffentliches Recht $: 32. 
12? Thon, Rechtsnorm S. 133, formuliert seine Begriffsbestimmung des 
Privatrechtes endgültig dahin: „Zum Privatrecht wird der den Interessen 
eines Einzelnen wider Einzelne gewährte Normenschutz dadurch, dafs dem 
Geschützten im Falle der Normübertretung ein Mittel zur Beseitigung der 
Normwidrigkeit von der Rechtsordnung gegeben und zu beliebigem Ge- 
brauche überlassen wird. Der Privatanspruch ist das Kennzeichen des 
Privatrechtes.*“ Ganz abgesehen davon, dafs der Schutz einer Norm, als 
solcher, als einer von den Individualinteressen losgelösten Regel, etwas voll- 
kommen anderes ist, als der Schutz der Interessen eines Einzelnen an der 
Einhaltung dieser Norm, abgesehen also davon, dafs „der den Interessen eines 
Einzelnen gewährte Normenschutz“ einen logischen Widerspruch enthält, 
bleibt es unklar, auf welches Moment in jener Definition das entscheidende 
Gewicht gelegt wird. Liegt dasselbe darauf, dafs das Rechtsschutzmittel dem 
Geschützten zu beliebigem Gebrauch überlassen wird, so ist das kein ent- 
scheidendes Kennzeichen des Privatrechtes; denn die verwaltungsgerichtliche 
Klage, wo sie den Interessen der Einzelnen dient, wird dem Geschützten überall 
zu beliebigem Gebrauche überlassen. Liegt aber das Gewicht darauf, dafs 
der Schutz den Interessen eines Einzelnen „wider Einzelne“ gewährt wird, 
dann macht die Natur der an dem Verhältnis Beteiligten, die Qualität der 
Rechtssubjekte das Kennzeichen des Privatrechtes aus. Nur dies ist richtig.
	        
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