Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 26. Allgemeiner Charakter. 169 
Privatfreiheit ist nicht identisch mit der Individualfreiheit. Denn 
Private sind nicht blofs die Einzelnen als Einzelne, sondern auch 
als Familienangehörige, als Mitglieder und Organe der dem Staate 
nicht eingegliederten korporativen Verbände. In diesem Sinne be- 
zeichnet die Privatfreiheit den Ausschnitt des gesellschaftlichen 
Lebens, in dem sich die Kulturentwickelung des Volkes vollzieht durch 
die Zwecksetzungen, durch den Selbstbetrieb, durch die ausschlielslich 
unter ihnen selbst gestifteten Bindungs- und Verantwortlichkeitsver- 
hältnisse der Privaten. 
B. Die Verwaltung des Privatrechtes. 
S 26. 
Allgemeiner Charakter. 
Wenn in der Begriffsbestimmung des öffentlichen und des Privat- 
rechtes der Staat mit seinen Aufgaben und Thätigkeiten in Gegensatz 
gestellt wird zu der Freiheit, zu den Aufgaben und Thätigkeiten der 
Privaten, so ist es damit schlechterdings nicht gesagt, dafs die hier- 
mit bezeichneten Lebensgebiete zusammenhangslos nebeneinander 
hergehen. Vielmehr tritt der Staat in thätige und notwendige Be- 
ziehung auch zu der Privatfreiheit.e. Und zwar aus einem doppelten 
Grunde. 
Zunächst die gesellschaftliche Thätigkeit, die das Privatrecht 
regelt, bewegt sich nicht nur innerhalb des Staates. Sie ist die 
breite Grundlage, über der sich der Staat bildet und erhebt. Sie be- 
greift der Zahl und der Wirkung nach weitaus die gröfste Masse der 
Vorgänge, durch welche sich das tägliche Leben des Volkes und seine 
Kulturarbeit vollzieht. Auch bei der stärksten Entwickelung seiner 
Machtstellung bleibt der Staat darauf angewiesen, die im Privatrecht 
geregelte Privatfreiheit zur Voraussetzung und zum Ausgangspunkt 
seines Eingreifens in die gesellschaftliche Entwickelung zu machen. 
Vor allen Dingen — es sind die nämlichen Menschen und die 
nämlichen menschlichen Ziele, es sind die nämlichen natürlichen und 
historischen Lebensbedingungen, es sind die nämlichen Bedürfnisse, 
welche in allen verschiedenen gesellschaftlichen Organisationsformen 
wirksam sind. Es ist theoretisch widersinnig und praktisch undurch- 
führbar, dafs die gesellschaftlichen Thätigkeiten, die sich durch den 
Staat einerseits und mittels der Privatfreiheit andererseits vollziehen, 
in einem Verhältnis des Widerspruches und der Hemmung stehen. 
Es muls oberste Malsstäbe geben, welche der sittlichen und recht-
	        
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