174 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
des positiven Rechtes in jedem konkreten Falle den Willensbestim-
mungen, den einseitigen oder zweiseitigen Rechtsgeschäften der daran
Beteiligten unterliegt.
Auch auf diesem Gebiete und für die hierunter fallenden Lebens-
verhältnisse stellt das objektive Recht seine Rechtssätze auf. Aber
das gesetzgeberische Motiv ihrer Aufstellung und ihre Geltungskraft
ist eine andere als die der absoluten Rechtssätze.
a. Das gesetzgeberische Motiv ist nicht, wie im absoluten
Recht, die Notwendigkeit einer objektivrechtlichen Normierung;
denn die regelnde Kraft der Privatwillkür ist hier anerkannt. Viel-
mehr geschieht die Aufstellung dispositiver Rechtssätze lediglich im
Interesse der Leichtigkeit, Schnelligkeit und Präecision des
rechtsgeschäftlichen Verkehrs. Sie gestattet es den Inter-
essenten überhaupt von einem besonderen Rechtsgeschäfte (Testament)
Umgang zu nehmen, da wo die Anwendung des objektiven Rechtes
(Intestaterbrecht) eine ihren Absichten und Bedürfnissen entsprechende
Reselung des konkreten Verhältnisses ergiebt. Sie bewirkt es, dafs
die Parteien mit Schlagwörtern und in abgekürzten Formeln ihre recht-
lichen Ordnungen wahrnehmen können in der Berechnung, dafs das
objektive Recht die ihrem Willen entsprechende Präeisierung des
Nichtpräeisierten, Entwickelung des Unentwickelten vornimmt.
b. Insbesondere ist aber die Geltungskraft der disposi-
tiven Rechtssätze eine andere als die der absoluten. Sie sollen
und wollen nur in typischen Formulierungen, in der Weise von
„Musterstatuten“ das fixieren, was nach der Natur des konkreten
Verhältnisses, nach den herrschenden socialen Anschauungen und Be-
dürfnissen als die dem erkennbaren Willen der Parteien entsprechende
Regelung vorausgesetzt werden muls. Sie können wegen der aner-
kannten Befugnis und Kraft der Privatwillkür nicht autoritativ, son-
dern nur deklaratorisch wirken. Sie sind nicht verbindlich um der
die Privatwillkür hemmenden und. beugenden Kraft des Gesetzes
willen, sondern kraft des Willens der Beteiligten selbst,. welchem sie
den Ausdruck geben, der seinem erkennbaren und darum gesellschaft-
lich wirksamen Inhalt entspricht. Sie haben in diesem Sinne nicht
eine unmittelbare, sondern nur eine die Bindungskraft der Privat-
willkür „vermittelnde“ Geltung.
Aber weil dies die Art und Weise ihrer Geltung ist, darum finden
die dispositiven Rechtssätze keine Anwendung überall da, wo eine
rechtsgültige Disposition der Beteiligten über eine anderweite Regelung
des Verhältnisses ergeht. Und zwar cessiert diese Anwendung nicht