Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

8 28. Die Civilgerichtsbarkeit. 177 
thatsächlichen Zustandes überall an das eigene Interesse, an die 
die Rechtsfolgen sich aneignenden Willensbestimmungen der Be- 
teiligten? gebunden — selbst dann, wenn die absoluten Vorschriften 
darauf abzielen, den obersten Anforderungen der Sittlichkeit (z. B. 
bei Ehenichtigkeiten) oder des Gemeininteresses (z. B. bei Betrug und 
Vergewaltigung) Genüge zu verschaffen. Das Privatrecht reicht genau 
nur so weit, als das positive Recht behufs Aufrechterhaltung der Be- 
dingungen und Zwecke des gesellschaftlichen Zusammenlebens die 
Triebfedern des Privatinteresses für stark genug hält, um 
die den Beteiligten zur Verfügung gestellten Mittel zur Beseitigung 
und zum Ausgleich der Rechtswidrigkeiten in Bewegung zu setzen. 
Überall da, wo dies nicht ausreichend befunden wird, überall da, wo 
die Geltendmachung der absoluten Vorschriften des Rechtes (z. B. bei 
Ehenichtigkeit, Betrug, Vergewaltigung) ohne oder gegen den Willen 
der Interessenten erfolgt, werden Verantwortlichkeitsverhältnisse 
gegenüber dem Staate geschaffen, d.h. das öffentliche Recht, ins- 
besondere auch das Strafrecht, greift Platz. 
Mithin — die Geltungskraft auch des absoluten Privatrechtes ist 
im Gegensatz zu der des entsprechenden Öffentlichen Rechtes eine 
in dem entwickelten Sinne durch die Willensbestimmungen der Pri- 
vaten bedingte und vermittelte. 
8 28. 
Die Civilgerichtsbarkeit. 
Der Schutz des Privatrechtes ist eine erste und not- 
wendige Aufgabe des Staates. Erst mit ihrer Anerkennung setzen 
wir den Begriff des Staates. Mag in der historischen Entwickelung 
auf lange Zeit hin auch die Privatrechtspflege von den familienhaften 
und korporativen Verbänden an erster Stelle wahrgenommen werden, 
so ist doch die Entstehung des Staates gleichbedeutend mit der Er- 
richtung einer obersten Friedensbürgschaft auch an diesem Punkte. 
Jene Verbände rückten alsdann ein in ein Verhältnis der Selbst- 
verwaltung, kraft dessen dem Staate das Recht und die Macht zu- 
erkannt wurde, mindestens eine oberste Entscheidungs- und Exekutions- 
instanz gegen jede Verweigerung oder Verzögerung der Justiz zu 
bilden. Mit der vollen Entfaltung des Staates aber wurde der Privat- 
rechtsschutz mehr und mehr zu seiner unmittelbaren und ausschliels- 
lichen Funktion erhoben. | 
5 Selbstverständlich einschliefslich ihrer privatrechtlichen Vertreter. 
Binding, Handbuch. V. 1: Hänel, Staatsrecht. I. 12
	        
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