Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

180 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
recht führen dazu, in:gewissen Rückwirkungen das im Streit befangene 
Privatrecht zu modifizieren, zu brechen, zu novieren, — eine Er- 
scheinung, die nicht mit der anderen Erscheinung zu verwechseln ist, 
dafs das objektive Privatrecht an einzelne Prozelsakte, als Thatbestand, 
besondere privatrechtliche Wirkungen (Unterbrechung der Verjährung, 
Litigiosität des Streitobjektes, verstärkte Haftungspflichten, Ersatz- 
und Kautionspflichten) knüpft. 
a. Selbständig und in relativer Unabhängigkeit von dem Privat- 
recht erfolet zunächst die Gewährung des Prozesses selbst. 
Dem Rechtsschutz, zu welchem der Staat verpflichtet ist, entspricht 
das öffentliche Recht der Parteien auf Gehör und Ver- 
spruch. Selbstverständlich kann dasselbe nicht bedingt sein durch 
das materielle Recht selbst, durch das Bestehen eines Rechtes 
auf Bindung anderer. oder eines negativen Rechtes auf Freiheit von 
der Bindung durch andere. Denn das gerade ist Inhalt des Streites, 
dessen Schlichtung durch Gewährung des Prozesses bewirkt werden 
soll. Vielmehr kann das Recht auf Gehör und Verspruch nur bedingt 
sein durch einseitige, parteiische Behauptungen des Recht- 
suchenden über sein Recht und über dessen Schutzbedürftigkeit. Das 
materielle Privatrecht ist nur Bedingung für einen dem Anspruch der 
Partei entsprechenden Inhalt des Urteiles. 
b. Das Recht auf Gehör und Verspruch ist notwendig an gewisse 
Voraussetzungen geknüpft, welche durch die örtliche Verteilung der 
rechtsprechenden Organe, durch die erforderliche Begrenzung, Sub- 
stantiierung und Bewahrheitung des Streitstoffes, durch die Verteilung 
der Parteirollen: in Angriff und Verteidigung, durch die zeitliche Ab- 
folge des Verfahrens bedingt sind. Sie werden festgestellt teils un- 
mittelbar durch das Gesetz,. teils durch die prozelsleitenden Anord- 
nungen des Gerichtes. : Es liegt in der bestimmungsmälsigen Eigen- 
tümlichkeit .des Civilprozesses begründet, dafs ihre Befolgung nur da, 
wo ein eigenes Interesse: des Staates eingreift oder wo es sich um die 
Prozefspflichten Dritter handelt, durch unmittelbaren Zwang und 
Strafe gesichert ist. Überall sonst wird die Einhaltung jener Vor- 
schriften geknüpft an das eigene Interesse der Parteien dadurch, dafs 
ihre Verletzung die Verwirkung subjektiver Prozefsrechte, das Ab- 
schneiden von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die Annahme un- 
erwiesener Thatsachen als erwiesen, nicht abgegebener Erklärungen 
als abgegeben nach sich zieht. Aber diese Verwirkungen haben nicht 
überall nur die Folge, die prozessualische Geltendmachung der 
Parteirechte in dem schwebenden Prozesse abzuschneiden oder zu er-
	        
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