Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

188 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
Privatrechtes, sondern um Konstituierung und Handhabung eigener 
Rechte des Staates®. 
1. Mit diesen Ausscheidungen ergiebt sich, dals der Umfang 
der Verwaltung des Privatrechtsverkehres ein engerer 
ist als das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Diese 
befalst nach üblichem Sprachgebrauch auch die ausgeschiedenen Er- 
scheinungen, insbesondere die Zweige des öffentlichen Familienrechtes; 
jene dagegen beschränkt sich auf die Teile der freiwilligen Gerichts- 
barkeit, welche dusschliefslich der Privatrechtspflege angehören. Und 
zwar entfaltet sich die Verwaltung des Privatrechtsverkehres wesent- 
lich in einer vierfachen Richtung, indem sie die Begründung, die Be- 
urkundung, die Abwiekelung und Ausübung des subjektiven Privat- 
rechtes betrifft. 
a. In einer Reihe von Fällen schreibt das objektive Recht einen 
öffentlichrechtlichen Akt vor, um die beabsichtigte Begründung 
(Entstehung, Änderung, Aufhebung) subjektiver Privatrechte rechts- 
wirksam herbeizuführen. Doch sind hierbei diejbewegenden Gesichts- 
punkte verschieden. Zu einem Teile ist es die in der Natur des be- 
absichtigten Rechtes liegende Rechtswirksamkeit gegen Dritte und die 
hieraus entspringende Forderung der Erkennbarkeit für jedermann, 
® Das Entmündigungsverfahren ist kontradiktorische Feststellung der 
Thatsache, an welche sich der Eintritt einer Vormundschaft rechtlich knüpft. 
Ob diese kontradiktorische Feststellung Prozefs, Streitverfahren ist, hängt 
von der Lage des konkreten Falles ab. Die Thatsache kann unbestritten 
unter allen rechtlich Beteiligten sein. Dann ist die Feststellung Bestandteil 
der „freiwilligen Gerichtsbarkeit“ ; sie soll nur die Rechte der Beteiligten, die 
sich an das Vorhandensein der thatsächlichen Voraussetzung der Vormund- 
schaft knüpfen, durch die Möglichkeit ihrer Verlautbarung und Geltend- 
machung und durch amtliche Prüfung wahren. Die Thatsache kann bestritten 
sein — .dann liegt zweifellos Streitverfahren vor. Aber dieses ist niemals 
blofs Civilprozefls; denn die Vormundschaft ist ein komplexes, aus öffentlich- 
rechtlichen und privatrechtlichen Bestandteilen gemischtes Rechtsverhältnis. — 
Auch abgesehen von der Natur der Vormundschaft giebt es unter die „frei- 
willige Gerichtsbarkeit“ fallende Funktionen und Einrichtungen, welche eine 
gemischte Natur an sich tragen, insbesondere die Personenstands- und 
Handels-(Firmen-, Prokuren-, Gesellschafts-)register. Denn die Eintra- 
gungen in dieselben erfolgen allerdings zu einem Teil im Interesse des Privat- 
rechtes, und sie sind mit bestimmten privatrechtlichen Wirkungen verknüpft. 
Aber gleichzeitig sind sie dazu bestimmt, Interessen zu dienen, deren Wahr- 
'nehmung dem Staate obliegt, und insoweit sind die entsprechenden Vorschriften 
durch Exekutions- und Strafrecht des Staates geschützt. Nur unter dem ersteren 
Gesichtspunkt findet hier Verwaltung des subjektiven Privatrechtes, unter 
letzterem nur Verwaltung des öffentlichen Rechtes statt, wenn beide auch in 
dem nämlichen Akt zusammenfallen.
	        
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