Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

190 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
und der Grenzen der gegenseitigen Rechte und Pflichten sowie ihrer 
thatsächlichen Voraussetzungen herbeizuführen”. 
c. In einem weiten Umfange ferner lälst der Staat seine Thätig- 
keit eintreten, um die Vermittelung,Abwickelunge und Durch- 
führung von Privatrechtsverhältnissen in unparteiischer und technisch 
richtiger, in klarer und möglichst einwandfreier Weise zu bewerk- 
stelligen®. 
d. Endlich bindet der Staat in einzelnen Fällen die Ausübung 
bestehender Privatrechte mit den beabsichtigten rechtlichen Wirkungen 
an einen vermittelnden öffentlichen Akt, um dadurch Rechtsverletzungen 
oder auch nur vermeidliche Härten hintanzuhalten °. 
” Die Beurkundung ist in der Mehrzahl der Fälle in dem Sinne eine 
freiwillige, dafs an ihre Unterlassung Veränderungen oder Modifikationen der 
materiellen Rechte und Pflichten nicht geknüpft sind und sie mithin durch 
jedes andere Beweismittel ersetzt werden kann. Sie kann aber nach Mals- 
gabe des positiven Rechtes auch mit materiellen Rechtsfolgen verknüpft sein, 
sei es, dafs eine bestimmte Art der Beurkundung oder ihre Unterlassung 
Präsumtionen für die Kenntnis oder Unkenntnis des Thatbestandes seitens 
Dritter schafft, oder dals eine bestimmte Form der Beurkundung ohne Ein- 
willigung der hieran interessierten Partei durch ein anderes Beweismittel 
nicht ersetzt werden kann (Wechselprotest) oder dafs die eine Partei von der 
anderen die Beurkundung als Voraussetzung ihrer Leistungspflicht verlangen 
kann. Verschieden hiervon ist selbstverständlich die Frage, ob und inwieweit 
gewisse Beurkundungen kraft öffentlichen Rechtes notwendige sind, wie bei 
den Handels- und Schiffsregistern, bei der Musterrolle der Schiffsmannschaft. 
® Hierhin gehört die Aufnahme von Taxen (Wertschätzungen‘, die Vor- 
nahme von Versteigerungen, die Aufmachung der Dispache durch ernannte 
Dispacheure und ihre Bestätigung durch das Gericht, die gesamte Verlassen- 
schaftsregulierung, das Hinterlegungswesen, das öffentliche Maklerwesen, das 
streitlose Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden in Ablösungssachen, bei 
Gemeinheitsteilungen und gutsherrlich-bäuerlichen Regulierungen. Hierhin 
‘gehört auch das Aufgebotsverfahren — denn seine nächste Absicht ist es, die 
Regelung von Privatrechtsverbältnissen, welche von der Kenntnis und Fest- 
stellung gewisser That- und Rechtsumstände abhängig ist, dadurch zu ermög- 
lichen, dafs es die Beteiligten zwingt, die Verlautbarung jener That- und 
Rechtsumstände zu bewirken. Hierhin gehören endlich auch vereinzelte 
Handlungen des Gerichtes, die die im übrigen obne seine Mitwirkung sich 
vollziehende Geschäftsabwickelung unterstützen, wie die Anordnung der Mit- 
teilung der Bilanz und sonstiger Aufklärungen an Kommanditisten oder stille 
Gesellschafter (H.G.B. 160. 253), die Ernennung und Abberufung von Liqui- 
datoren (ebenda 133. 134. 172. 244) und Revisoren (ebenda 222). . 
® So bedarf es einer Ermächtigung des Gerichtes, damit sich der Gläu- 
biger aus dem Pfande ohne Klage bezahlt machen (H.G.B. 310. 375. 409. 626), 
damit ein Kaufmann die Deponierung übersandter Ware vornehmen (ebenda 323), 
damit die Minorität der Aktionäre eine verweigerte Generalversammlung be- 
rufen (ebenda 327), damit der Schiffer das Schiff verkaufen darf (ebenda 499).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.