Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 29. Die Verwaltung des subjektiven Privatrechtes. 191 
2. Wenn in allen diesen Fällen die Mitwirkung des Staates, dem 
Begriffe der Verwaltung des subjektiven Rechtes entsprechend, immer 
nur das Mittel ist, um die rechtliche und die dem Rechte entsprechende 
thatsächliche Gestaltung des Privatlebens herbeizuführen, so wird da- 
durch mit Notwendiekeit auch das öffentlichrechtliche Verhältnis, 
welches aus jener Mitwirkung zwischen dem Staate und den Beteiligten 
entsteht, in eigentümlicher Weise charakterisiert. 
Als durchgreifende Regel ergiebt zunächst die ganze Sachlage, 
dafs die Vornahme der Öffentlichrechtlichen Handlung, welche im ein- 
zelnen Falle gefordert ist, nicht in das freie Ermessen des Staates ge- 
stellt sein kann. Vielmehr ist den Parteien beim Zutreffen der gesetz- 
lichen Voraussetzungen ein festes, subjektives öffentliches Recht auf 
Vornahme der Handlung eingeräumt — genau in der nämlichen Weise 
und aus dem nämlichen Grunde, wie das Klagerecht ein festes, sub- 
jektives öffentliches Recht der Beteiligten gegenüber dem Staat auf 
die dem Gesetze entsprechenden eivilprozessualischen Handlungen dar- 
stellt. Denn eine grundsätzliche Verleugnung dieser Regel würde die 
gesicherte und gleichmälsige Bethätigung der Privatfreiheit gefährden 
und wichtige Bestandteile des privatrechtlichen Verkehres der Willkür 
des Staates preisgeben !°. 
Und biermit zugleich ist die Anforderung an die Organisation 
derjenigen Instanzen gegeben, die jene Öffentlichrechtlichen Funktionen 
wahrzunehmen haben. Die nämlichen Gründe, welche dazu geführt 
haben, die Entscheidung streitiger Privatrechtsverhältnisse durch die 
Errichtung besonderer richterlicher Behörden, durch die Unabhängig- 
keit ihrer Funktionen, durch ein besonderes Verfahren von der Beein- 
flussung fremdartiger Gesichtspunkte und von den Eingriffen der Willkür 
zu befreien, — sie kommen auch hier zur Geltung. Sie haben überall 
zu zwei Arten der Organisation geführt. Zunächst sind es die Ge- 
richte, welche mit der Wahrnehmung der einschlagenden Funktionen 
betraut sind, und gerade hieraus ist die Bezeichnung der freiwilligen 
10 Selbst da, wo, wie vielfach, dem Staate ein gewisses Ermessen in 
Rücksicht auf die Vornahme der geforderten Handlung, eine causae cognitio 
eingeräumt ist, hat dieselbe eine andere Bedeutung und Absicht als das freie 
Ermessen auf anderen Verwaltungsgebieten. Die Aufgabe, die hierbei zu er- 
füllen ist, ist eine sachgemäfse Abwägung der sich kreuzenden Privatinteressen 
vorzunehmen und demgemäfs die privatrechtliche Auseinandersetzung im In- 
‚teresse der Beteiligten zu bewirken, nicht aber das Interesse des Staates als 
solchen im Gegensatz zu den Privatinteressen zur Geltung zu bringen. So 
“die causae cognitio bei Annahme an Kindes Statt und Einkindschaftsvertrag. 
A.L.R. II, 2 88 667. 721.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.