Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

10 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates. 
einer solehen war dem Bündnis beigefügt. Jedoch sollte derselbe mit 
der nach Malseabe des Entwurfs ad hoc zu berufenden Reichsver- 
sammlung — Staatenhaus und Volkshaus — noch vereinbart werden. 
Das „Erfurter Parlament“ — 20. März bis 29. April 1850 
— nahm die Verfassung unverändert an, ebenso wie die „Additional- 
akte“, welche in Rücksicht auf den Nichtbeitritt und Rücktritt einer 
Reihe deutscher Staaten die Anwendbarkeit der Verfassung auch auf die 
engere „Deutsche Union“ bewirken sollte. 
Die in ihrer ursprünglichen wie in ihrer verkürzten Form schlecht- 
weg als Unionsverfassung°® bezeichnete Verfassung war wortgetreu 
die Reichsverfassung der Nationalversammlung, in der grofsen Haupt- 
sache nur mit zwei Änderungen: die Umwandelung der Centralgewalt 
aus dem Kaisertum in den „Reichsvorstand“ Preufsens in Gemeinschaft 
mit dem „Fürstenrat“ und die Ersetzung des allgemeinen Wahlrechtes 
für das Volkshaus des Reichstages durch das Dreiklassensystem. 
Auch das Werk der Regierungen scheiterte so vollständig, wie das 
Werk der Nationalversammlung an der Schwäche Preulsens, an der 
Abneigung der gröfseren deutschen Staaten gegen Beschränkungen 
ihrer Suveränetät, und beidem entsprechend an dem energischen Wider- 
stand Österreichs, das-an seinem Rechte auf eine gleiche, ja auf eine 
bevorzugte Stellung innerhalb des deutschen Staatensystems unbedingt 
und unerschütterlich festhielt. 
Aber trotz der Vernichtung aller nächsten Erfolge — die beiden 
Verfassungen des Deutschen Reiches aus dem Jahre 1849 haben end- 
gültig und unwiderstehlich die Bahnen vorgeschrieben, in denen sich 
die politische Entwicklung bewegen sollte. Sie haben in den grolsen 
Zügen die Grundrichtungen für das deutsche Staatswesen festgestellt: 
den Wiederaufbau des Deutschen Reiches in der Form des modernen, 
konstitutionellen Staates, 
die Unmöglichkeit der Mitgliedschaft am Reiche für einen Staat, 
der eine Machtstellung zugleich aufserhalb des Reiches in Anspruch 
nimmt, 
die hegemonische Rechtsstellung Preufsens innerhalb der deutschen 
Bundesverhältnisse. 
Ja die deutschen Verfassungen von 1849 haben mehr ge- 
leistet. Sie haben das „Deutsche Reich“ über die Linien eines 
politischen Parteiprogramms hinausgehoben zu Ider Festigkeit eines 
2° So wird sie zur kurzen Unterscheidung von der Reichsverfassung der 
Nationalversammlung auch im Folgenden genannt, obwohl man ursprünglich 
wit „Union“ das weitere Bundesverhältniss mit Österreich bezeichnete.
	        
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