212 I. Buch. Die Grundlagen des deutschen Staates.
Seine Grundlage, seinen ersten Teil bildet die Kompetenz
des Reiches oder die Reichsgewalt.
Erst auf dieser Grundlage schliefst sich das System des deutschen
Staatsrechtes demjenigen des Staatsrechtes des Einheitsstaates an. Es
betrachtet hiernach das deutsche Staatswesen unter dem dreifachen
Gesichtspunkte seiner Struktur, seiner Funktionen und seiner Auf-
gaben!.
Die Verfassung des deutschen Staates — als zweiter
Teil — weist die rechtlichen Bestimmungen über die Organisation der
Staatsgewalt, über die Mitgliedschaft und über das Gebiet in ihrer
zweigliedrigen Gestaltung des Reiches und der Einzelstaaten
auf. In gleicher Weise bildet
die Regierung des deutschen Staates in Gesetzgebung
und Vollziehung den dritten Teil,
die Verwaltung des deutschen Staates den vierten Teil.
Diese systematische Gliederung entspricht zugleich der posi-
tivrechtlichen Ordnung der deutschen Verfassungen.
Die Reichsverfassung und die Unionsverfassung von 1849? stellen,
nachdem sie im Abschnitt I „das Reich“ nach seinem Gebiete und
seinen Gliederungen als den Gegenstand ihrer Regelungen bezeichnet
haben, an die Spitze aller Bestimmungen in Abschnitt I die Reichs-
gewalt, d.h. die Entwickelung der Kompetenzen des Reiches. Erst
hieran schliefsen sich die organisatorischen Bestimmungen über das
Reichsoberhaupt (Abschnitt IID, den Reichstag‘ (Abschnitt IV), das
Reichsgericht (Abschnitt V), die Grundrechte (Abschnitt VI) und end-
lich die Gewähr der Verfassung (Abschnitt VID. |
Nach dem nämlichen System® gliedert die geltende Reichs-
verfassung ihre Bestimmungen. Nachdem sie unter I das „Bundes-
gebiet“, d. h. den Bestand des Reiches bezeichnet hat, ist ihr II. Ab-
schnitt unter der Rubrik „Reichsgesetzgebung“ der grundsätzlichen
und allgemeinen Feststellung der Kompetenzen gewidmet. Hiernach
ı Vgl. 8$ 17. 18. 19.
2 In vollkommen gleicher Ordnung unterschied bereits der Siebzehner-
Entwurf (Dahlmann) die Bedeutung des Reiches (die Aufzählung der
Kompetenzen) in Artikel II und alsdann die „Verfassung des Reiches“ in Ar-
tikel IU, die Grundrechte in Artikel IV, die Gewähr der Verfassung in
Artikel V.
3 Auch die Schweizer Bundesverfassung ordnet: I. Abschnitt
„Allgemeine Bestimmungen“ (Kompetenzen), I. Abschnitt „Bundesbehörden“,
III. Abschnitt „Revision der Bundesverfassung“. Dagegen befolgt die Ameri-
kanische Unionsverfassung das System der Dreiteilung der Gewalten.