Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 35. Die grundsätzliche Gestaltung der Regierungsrechte des Reiches. 229 
der Exekutivgewalt unmittelbar Vorsorge getroffen hat, sich alle die- 
jenigen Macht- und Rechtsmittel beizulegen, die zur Durch- und Aus- 
führung ihrer Kompetenzen notwendig und geeignet sind. Darum hat 
kein Einzelstaat ein verfassungsmälsiges Recht auf irgendwelche Mit- 
wirkung seiner Staatsgewalt innerhalb der Unionskompetenz. Aber 
kein Einzelstaat ist auch rechtlich verpflichtet, zur Durchführung der 
der Union obliegenden : Aufgaben seine Organisation, seine (sesetz- 
gebung oder Vollziehung bereit zu stellen. 
Hiervon giebt es nur eine einzige wahre Ausnahme. Über die 
Miliz, die im Gegensatz zu dem streng einheitlichen Bundesheer die 
militärische Macht der Einzelstaaten bildet, hat die Union die Gesetz- 
gebung rücksichtlich der Organisation, Bewaffnung und Diseiplin und 
das Recht des Oberbefehls, wenn und soweit sie für die Zwecke der 
Union verwandt wird. 
Dagegen steht es in keinerlei Widerspruch mit dem beherrschenden 
Grundsatz, dafs auch die Unionsverfassung den Einzelstaaten negative 
Verpflichtungen auferlegt, welche teils das selbstverständliche Verbot, 
nichts zu thun, was der Unionskompetenz widerspricht, in. verschiedenen 
Wendungen formulieren, teils aber auch ihrer Gesetzgebung besondere 
Schranken auferlegen. Und ebensowenig widerspricht es, dals auch 
die Einzelstaaten das Unionsrecht als ein innerhalb ihres Gebietes 
geltendes Recht zu befolgen und insbesondere in ihrer Rechtsprechung 
anzuwenden haben. 
Auch in diesen Fällen hat die Union keinerlei Vetorecht gegen 
Staatsakte der Einzelstaaten; keine Verantwortlichkeitspflicht gegen- 
über der Union trifft die Einzelstaaten als solche, und darum besteht 
kein Exekutionsrecht der Union gegen dieselben; kein Abhängigkeits- 
verhältnis waltet zwischen den Organen der Union und denen der 
Einzelstaaten ob. Insbesondere bewirkt der Zug an die Unions- 
gerichte, welcher von den einzelstaatlichen Gerichten gewährt wird, 
keinerlei Befugnis der Union, in die Organisation, die Kompetenz oder 
das Verfahren der Partikulargerichte einzugreifen. 
Vielmehr der Grundsatz der Loslösung der Wirksamkeit der Union 
von der Wirksamkeit der Einzelstaaten, der vollen beiderseitigen 
Selbstgenugsamkeit wird selbst dann festgehalten, wenn es die Be- 
hauptung und Durchsetzung der Unionskompetenzen und aller ihrer 
Äufserungen gegenüber den Einzelstaaten und deren Organen gilt. 
Es erfolgt dies durch ein Doppeltes. Durch den Rechtssatz zunächst, 
dals alles, was den Gesetzen, den Verträgen, den subjektiven Rechten 
und Ermächtigungen der Union widerspricht, von Rechts wegen nichtig 
ist. Durch die Gestaltung der Unionsgerichtsbarkeit sodann. Sie ins-
	        
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