252 II. Buch. Die Reichsgewalt.
heben, abändern oder suspendieren. Darum kann sich auch
ein Recht zur Dispensation von Reichsgesetzen oder zur Erteilung
von Privilegien contra legem imperii niemals auf Landesrecht
stützen; es kann immer nur auf reichsgesetzlicher Gewährung beruhen.
2. Kein Landesgesetz kann ein Reichsgesetz authen-
tisch interpretieren, auch nicht die Folgesätze aus den allgemeinen
Bestimmungen der Reichsgesetze deduzieren, oder umgekehrt aus den
Specialbestimmungen der letzteren die allgemeinen Rechtssätze induzieren.
Alle solche Erläuterungen, Deduktionen, Induktionen gelten, wenn sie
richtig sind, ausschlielslich kraft Reichsgesetzes und sie gelten überhaupt
nicht, wenn sie unrichtig sind. Ja darüber hinaus: kein Landesgesetz
kann für Reichsgesetze besondere Interpretationsregeln vorschreiben,
welche rechtsverbindlich der Feststellung des gesetzgeberischen Willens
des Reiches durch die wissenschaftlichen Hülfsmittel der Auslegung
Schranken auferlegen.
3. Kein Landesgesetz kann ein Reichsgesetz wieder-
holen oder bestätigen. Wenn die Technik der Gesetzgebung
bei dem engen Ineinandergreifen der Reichs- und Landesgesetzgebung
es vielfach erforderlich macht, reichsgesetzliche Bestimmungen in den
Text der Landesgesetze aufzunehmen oder sie auch zu erläutern oder
zu specialisieren, so kann und darf dies nur den Sinn entweder von
Verweisungen auf anderweitig geltendes Recht, oder aber von Richtig-
stellungen und Erläuterungen der dem Bereich der Landesgesetz-
sebung anheimfallenden Bestimmungen haben.
4. Kein Landesgesetz kann das dem Reichsgesetz
entgegenstehende Landesgesetz aufheben oder auch
nur für nichtig erklären. Beides ist nicht nur irrelevant?,
sondern auch reichsverfassungswidrig ‚ denn es stellt die Aufhebung
oder Nichtigkeit des Landesgesetzes, damit denn aber auch die Geltung
des Reichsgesetzes nicht auf die. unmittelbare Autorität des Reiches,
sondern auf die eines vermittelnden. Aktes der Landesgesetzgebung *.
® Relevant kann ein solches Landesgesetz insofern und insoweit sein,
als es absichtlich oder irrtümlich Landesrecht in einem weiteren Umfang auf-
hebt, als das Reichsgesetz nach seinem Inhalt fordert.
* Auch die Zurücknahme eines Landesgesetzes oder einer gesetzvertreten-
den Verordnung, deren Widerspruch mit einem Reichsgesetz bestritten, aber
auf Grund R.V.a.7 No. 3 oder a. 19 rechtsverbindlich festgestellt worden ist,
kann zwar in der Form einer schlichten Bekanntmachung oder Instruktion
erfolgen und verlangt werden, nicht aber in der Form eines Landesgesetzes
oder einer gesetzvertretenden Verordnung — wie letzteres v. Rönne, Staats-
recht d. deutschen Reiches Hı 7, Binding, Strafrecht I 258 annehmen —,
denn damit würde das Vorgehen des Reichsgesetzes nicht unmittelbar, wie es