260 II. Buch. Die Reichsgewalt.
anderen können dem Reiche als solchem oder seinen Organen Rechte
zugesprochen oder Pflichten auferlegt werden. Nur von Reichs wegen
können ihre Regelung empfangen die Rechtsstellung des Kaisertums,
des Bundesrates, des Reichstages, der Reichsbehörden und der Reichs-
angehörigen, die gesetzgeberischen, vollziehenden und richterlichen
Funktionen des Reiches, aber auch seine Diplomatie, sein Militärwesen,
seine Finanzwirtschaft, soweit solche dem Reiche überhaupt verfassungs-
mälsig zustehen !.
Unter denselben Gesichtspunkt fallen in einem gewissen Sinne
auch die zwischenstaatlichen Verhältnisse, welche Gegen-
stand der Reichskompetenz bilden. Eine gesetzgeberische Re-
gelung derselben kann immer ausschliefslich von Reichs wegen erfolgen.
Aber allerdings die vertragsmälsige Regelung bleibt hier, solange
die Reichsgesetzgebung nicht eingreift, den Einzelstaaten vorbehalten.
Nur wenn die R.V. auch hierfür die Ausschliefslichkeit der Reichsgesetz-
gebung ausdrücklich anordnet, muls es als ihre Absicht angenommen
werden, auch die Verträge der Einzelstaaten auszuschliefsen. Denn
das „ausschliefslich“ kann alsdann keine Beziehung haben auf das un-
mögliche Recht der Landesgesetzgebung, sondern nur auf das mögliche
Recht der Verträge der Einzelstaaten. Das ist denn aber nach R.V.
a. 35 al. 1 der Fall bei den Bestimmungen „über den gegenseitigen
Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Verbrauchs-
abgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die Malsregeln, welche in
den Zollausschlüssen zur Regelung der gemeinsamen Zollgrenze er-
forderlich sind“.
b. Im übrigen kann sich die Ausschlielslichkeit der Reichsgesetz-
gebung nur stützen auf besondere Bestimmungen der Reichsver-
fassung. Aber die Art und Weise, wie dies zum Ausdruck gelangt,
ist eine verschiedene.
Entweder wird die Ausschliefslichkeit ausdrücklich fest-
gestellt. Das geschieht durch R.V. a. 35 für die Reichsgesetzgebung
„über das gesamte Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundes-
gebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Brannt-
weines und Bieres und aus Rüben oder andern inländischen Er-
zeugnissen dargestellten Zuckers und Sirups“.
Oder die Ausschließlichkeit wird bewirkt durch die Bestimmung,
1 Selbstverständlich ist es mit der Ausschliefslichkeit der Gesetzgebung
des Reiches z. B. über sein Militärwesen nicht schon gesagt, dafs nicht auch
die Einzelstaaten ihr Militärwesen und eine Gesetzgebung hierüber besitzen.
Es ist eine zweite Frage, ob die Ausschliefslichkeit der Reichsmilitärgesetz-
gebung jedes Militärgesetzgebungsrecht der Einzelstaaten aufhebt.