Full text: Deutsches Staatsrecht. Erster Band: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt. (1)

$ 41. Die Leitung der Reichsgesetzgebung. 265 
Bald sind demgemäls die Direktiven, die die Landesgesetzgebung 
vom Reiche empfängt, negative. So darf nach R.V.a. 54 die landes- 
gesetzliche Regelung der Schiffahrtsabgaben ein bestimmtes Mals der 
letzteren nicht überschreiten, so konnte nach dem Gewerbegesetz vom 
8. Juli 1868 $ 5 die Landesgesetzgebung fernerhin koncessionspflichtige 
Gewerbe nicht mehr schaffen, so darf nach dem Freizügigkeitsgesetz 
vom 1. November 1867 $ 10 die Verletzung der landesgesetzlich zu 
ordnenden Meldungspflichten mit dem Verlust des Aufenthaltsrechts 
nicht geahndet werden, so darf nach Eg. Strfgb. $ 5 die ergänzende 
partikulare Strafgesetzgebung ein bestimmtes, nach Art und Maximum 
der Strafe festgesetztes Mals nicht überschreiten. 
Bald sind die Direktiven für die Landesgesetzgebung positive. 
So wurde nach R.V. a. 61 — in seiner strengen Auslegung — der 
Landesgesetzgebung die Einführung des gesamten preufsischen Militär- 
rechtes vorgeschrieben, so hat die landesgesetzliche Ordnung des Re- 
kursverfahrens in Gewerbesachen die in der Gewerbeordnung $ 21 
bestimmten „Grundsätze“ einzuhalten, so sind- die Entschädigungs- 
pflichten für getötetes Vieh landesgesetzlich nach den bestimmten Mals- 
gaben des Viehseuchengesetzes vom 23. Juni 1880 88 58 ff. zu regeln. 
In jedem der beiden Fälle aber sind solche reichsgesetzliche Di- 
rektiven nicht nur der Mafsstab für verfassungsmälsige Pflichten, welche 
der Landesgesetzgebung obliegen, sondern sie bewirken es auch, dals 
jede von ihnen abweichende landesgesetzliche Bestimmung nichtig ist. 
Denn sie bezeichnen die Grenzen, innerhalb deren den Einzelstaaten 
die Kompetenz zur ergänzenden Landesgesetzgebung verblieben ist. 
3. Wenn hiernach auch die Reichsgesetzgebung ihre Ergänzung 
in allgemeiner oder näher bestimmter Weise zur Pflicht erhebt, so 
bleibt doch die verfassungsmäßsige Kompetenz der Einzelstaaten, diese 
Ergänzung kraft eigenen Rechtes, kraft ihrer Autorität und in ihrem 
Namen zu ‚bewirken, dadurch unberührt. Gerade darum ist in der 
Natur dieses Verhältnisses niemals die Absicht der Reichsgesetz- 
gebung begründet, in diejenigen Bestimmungen der Verfassung der 
Einzelstaaten einzugreifen, welche die Rechtserzeugung derselben regeln. 
Sie schreibt sich hier nicht den Beruf zu, die Grenzen der Gesetz- 
gebung und des Verordnungsrechtes oder die verschiedenen möglichen 
Formen des letzteren zu bestimmen. Wenn daher die Reichsgesetze 
ihre Ergänzung der „Landesgesetzgebung“* überweisen oder vor- 
behalten, so schliefsen sie damit nicht das Verordnungsrecht aus, 
soweit die partikulare Verfassung dasselbe zuläfst, wie dies $ 155 der 
Gewerbeordnung ausdrücklich anerkennt. Aber auch umgekehrt. 
Wenn die Reichsgesetze „nähere Bestimmungen“ , „Ausführungs-
	        
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